Lüdenscheid. . Das Spezialkrankenhaus in Lüdenscheid kämpft gegen ein Millionen-Defizit und lebt aktuell vom exzellenten Ruf vergangener Tage.

  • Das Spezialkrankenhaus in Lüdenscheid kämpft gegen ein Millionen-Defizit
  • Neue Geschäftsführung und externe Beraterfirma
  • Exzellenter Ruf aus vergangenen Tagen
  • Das Spezialkrankenhaus in Lüdenscheid kämpft gegen ein Millionen-Defizit
  • Neue Geschäftsführung und externe Beraterfirma
  • Exzellenter Ruf aus vergangenen Tagen

„Vier Schanzen – vier Siege!“ steht in großen Buchstaben auf dem Plakat, das Sven Hannawald als Gewinner der Vier-Schanzen-Tournee 2002 feiert. Darunter eine Widmung: „Für meine Doktore!“, handgeschrieben und signiert mit dickem Filzschreiber vom damaligen Skisprung-Ass.

Ein Dankeschön, eine schöne Erinnerung. An gute Zeiten. Für den Spitzensportler. Und für die Sportklinik Hellersen in Lüdenscheid, deren Flur voll ist von Devotionalien dieser Art. Die Klinik lebt zum großen Teil von ihrem exzellenten Ruf vergangener Tage. Und kämpft aktuell gegen ein Millionen-Defizit.

Von außen ist die Veränderung auf dem Klinikgelände unweit der Sauerlandlinie unübersehbar. Das Haus I ist ein typischer Funktionsbau der 1960er-Jahre, mit braunen Waschbetonplatten als Fassadenverkleidung. Die Bausünde wird gerade von einem orangen Kran überragt. An der Seite des Gebäudes wächst ein Anbau in die Höhe. Der neue, zentrale Operationstrakt. Kostenpunkt: rund sieben Millionen Euro. „Das wird einer der modernsten Orthopädie-OP’s in Deutschland“, blickt Wiebke Schandelle nach vorne: Schandelle selbst steht personell für den Neuanfang der Klinik.

Die bisherige Geschäftsführerin der NRW-Sporthilfe, die Trägerin des Fachkrankenhauses ist, hat im März auch die Geschäfte des Klinikbetriebs übernommen. Ihren Vorgänger hat das Präsidium der Sporthilfe abgelöst; ihm hat sie offenbar den Weg in die wirtschaftliche Zukunft nicht mehr zugetraut.

Genaue Geschäftszahlen mag Wiebke Schandelle noch nicht öffentlich machen – die Bestandsaufnahme laufe noch. Dass am Ende für das Geschäftsjahr 2015 unterm Strich ein Defizit im einstelligen Millionenbereich stehen wird, dementiert sie nicht. „Es gibt dringend Nachholbedarf“ gibt die neue Geschäftsführerin bei der Betrachtung des Spezialkrankenhauses als Unternehmen unumwunden zu. In der Funktionalität des Hauses, beim Energiemanagement, bei den Patientenzimmern. Nicht aber in der medizinischen Versorgung; das betont Wiebke Schandelle mehrfach und verweist „auf die besondere Stellung“ der Sportklinik: „Ein mit unserem Angebot vergleichbares Krankenhaus gibt es deutschlandweit nur noch in München“, sagt die Geschäftsführerin.

Es ist der Dreiklang aus den Disziplinen Sportmedizin, Traumatologie und Orthopädie, verbunden mit Physiotherapie und Leistungsdiagnostik, und dem Personal, mit denen die Klinik punktet: Dr. Bernd Lasarzewski, Chefarzt der Knie-, Ellenbogen- und Schulter-Chirurgie, ist nicht ohne Grund seit Jahren Teamarzt der deutschen Frauen-Fußballnationalmannschaft. Die Fußballerinnen, Ruderer, Skispringer, Sportschützen und – auch das ist ein Mosaik aus dem Bausteinkasten Zukunft – neuerdings Mountainbike- und Downhill-Fahrer nutzten die Leistungsdiagnostik und Behandlungsmöglichkeiten der Klinik.

„Etwa 15 Prozent“ machen die Profi- und Leistungssportler am Patientenaufkommen aus, sagt Wiebke Schandelle; die anderen 85 Prozent entfallen auf Breitensportler und allgemeine Orthopädie. „Es gibt keine vorgegebene Sportler-Quote seitens der Sporthilfe als Trägerin. Die Klinik steht grundsätzlich jedem Patienten offen“, erklärt Geschäftsführerin Schandelle.

Alleine mit der Behandlung und Betreuung von Spitzen- und Profisportlern dürfte das 260-Betten-Krankenhaus auch kaum wirtschaftlich überleben können. Zumal die pauschale Krankenhausfinanzierung in Nordrhein-Westfalen vor gut zehn Jahren abgeschafft wurde. Ein tiefer Schnitt mit dem Skalpell. Gerade für die Sportklinik.

16 Millionen Euro hatte die Klinik als Fördergelder für Investitionen vor Augen – als das Land die Finanzierung und Bedarfsplanung umstellte. Aktuell erhalte die Einrichtung eine Teilbaufördersumme von 1,3 Millionen Euro als jährliche Zuweisung. Die 7-Millionen-Euro-Investition für den neuen OP muss die Klinik daher größtenteils selbst finanzieren. Über Kredite. „Die Sporthilfe ist finanziell nicht beteiligt“, so Schandelle.

Zu schaffen macht der Einrichtung auch, dass „der Katalog ambulanter Operationen immer länger wird“, erklärt die Geschäftsführerin: Mit jedem Patienten, der nicht stationär verweilt, kommen die Kranken- und Ersatzkassen günstiger davon.

Vabanque-Spiel auf Zeit

Auf durchschnittlich 6500 Aufnahmen kommt die Sportklinik im Jahr. Die neue Geschäftsführerin peilt jetzt die 7000er-Marke an. Um dieses Ziel zu erreichen, ist als nächstes die Einrichtung einer Komfortstation vorgesehen. Bisher überwiegen 4-Bett-Zimmer; Dusche auf dem Gang. Bei der Unterbringung ist das Krankenhaus damit lange aus der Zeit gefallen. Das weiß auch die neue Geschäftsführerin. Deshalb soll im Haus I eine komplette Station, die dann von allen Disziplinen belegt werden kann, mit Komfortzimmern eingerichtet werden. „Patienten empfinden das heute als Standard“, gibt Schandelle zu.

Einen Zeitpunkt für den Startschuss der Modernisierung gibt es noch nicht. Nachdem Anfang des Jahres schon die gesamte EDV erneuert wurde und jetzt der OP-Neubau läuft, will die Geschäftsführerin „nicht zu viele Baustellen auf einmal anfangen“. Ein Vabanque-Spiel. Auf Zeit. In der Hoffnung, dass die Patienten mit Blick auf die anerkannte medizinische Leistung die veraltete Unterbringung hinnehmen. Andernfalls ist die Sportklinik Hellersen und mit ihr die Sporthilfe irgendwann ein großer Verlierer.