Hagen. . Die Wohnungseinbruchszahlen nehmen im Bundesgebiet deutlich zu. Die Aufklärungsquote ist sehr gering. Kurse für Sicherheitspersonal stark nachgefragt.
- Zahl der Einbrüche stark gestiegen
- Sehr niedrige Aufklärungsquote
- Mieter machen es den Tätern zu einfach
Die Postkartenidylle am Harkortsee bei Wetter hat Kratzer bekommen. Sechs Mal wurde Christian Günthers Lokal „Friedrich am See“ in den vergangenen Wochen von Einbrechern aufgesucht. In einer der schlaflosen Nächte entstand die Idee, zusammen mit Nachbarn einen privaten Sicherheitsdienst zu engagieren. Günthers subjektives Sicherheitsgefühl dürfte mit den neuesten Einbruchszahlen noch weiter in den Keller gegangen sein.
Die Statistik
Laut Kriminalstatistik wurde 2015 mit 167 136 Fällen ein neuer Rekord bei Wohnungseinbrüchen erzielt: 9,9 Prozent mehr als 2014 (in NRW: +18,1 Prozent). Die Aufklärungsquote ist sehr gering. Gina Rosa Wollinger hat für das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen Strafakten studiert. „Nur in 2,6 Prozent der Fälle schließt ein Verfahren mit der Verurteilung eines Täters ab.“
Die Täter
„Es gibt keinen dominanten Tätertyp“, sagt Wollinger und nennt Beispiele: Einzeltäter, reisende Täter aus dem Ausland, perspektivlose Jugendliche, Drogenabhängige, Spielsüchtige, Menschen in prekären finanziellen Verhältnissen.
Die organisierten Banden
„Der kontinuierliche Anstieg der Wohnungseinbrüche seit 2006 ist nicht alleine mit mobilen Gruppen aus Südosteuropa zu erklären“, sagt die Soziologin aus Hannover. Das Bundeskriminalamt macht auch auf das Problem georgischer Banden aufmerksam. Mitglieder würden auch als Asylbewerber ohne Aussicht auf einen positiven Bescheid eingeschleust. Während der Asylprüfungszeit gingen sie auf Diebestour.
Ein Asylbewerber aus Georgien (25), der sich seit Februar 2014 im Bundesgebiet aufhält, wurde kürzlich vom Amtsgericht Meißen zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Zuvor waren gegen ihn bereits von Gerichten in Erlangen, Nürnberg, Auerbach, Aue und Lüdenscheid Bewährungsstrafen verhängt worden. Vorvergangene Woche wurden in Werl vier Georgier festgenommen, die in Ense, Neheim, Warstein, Welver und Werl aktiv waren.
Die Ermittlungen
„Die Polizei hat nur wenig Anhaltspunkte für Ermittlungen“, beschreibt Gina Rosa Wollinger die häufige Machtlosigkeit. Die Täter hinterließen wenig Spuren, agierten blitzschnell und vermieden Kontakt zu Bewohnern oder Zeugen. Weil so wenig Einbrecher gefasst werden, ist wenig über Strukturen und Reisewege bekannt.
Die personelle Ausstattung
„Die Polizei ist recht gut aufgestellt“, findet die Soziologin. Doch sie brauche an einigen Stellen mehr Personal. Bei der Spurenauswertung z.B. - oder bei Streifenwagenbesatzungen. „Was die Täter abschreckt, sind nicht hohe Strafen, sondern das Entdeckungsrisiko.“ Zudem müsse die internationale Vernetzung der Polizeibehörden verbessert werden.
Die Bürger
„Hausbesitzer und Mieter müssen mehr für den Einbruchschutz tun“, sagt Wollinger. Sie machten es den Tätern viel zu leicht. Zwar führten Statistiken über gestiegene Einbruchszahlen zu einer Verunsicherung - „die führt aber selten zu Verhaltensänderungen; nur bei persönlicher Betroffenheit“.
Die privaten Wachdienste
Dass (wohlhabende) Anwohner private Wachdienste engagieren, kommt „vereinzelt“ vor, sagt Wollinger. „Das ist aber kein flächendeckender Trend.“ Die Industrie- und Handelskammern, die Kurse für künftige Sicherheitsleute anbieten, registrieren eine starke Nachfrage - „bedingt durch ein gestiegenes Sicherheitsbedürfnis und durch die Flüchtlingswelle“, so Sandra von Heine, SIHK Hagen. „Wir haben die Angebote mehr als verdoppelt.“
Die Ausbildung
Bislang reichen 40 Unterrichtsstunden ohne Prüfung bei einer Kammer - und man darf bei einer Sicherheitsfirma anheuern. Das Bundeskabinett hat vor Wochenfrist schärfere Regeln beschlossen. Viele der Kursteilnehmer, so Sandra von Heine, würden von Arbeitsagenturen vermittelt, hätten einen Migrationshintergrund und keine abgeschlossene Berufsausbildung.