Berlin/Hagen. . Die deutschen Handballer, die bei der EM in Polen überraschend Gold gewannen, werden von den Fans in Berlin frenetisch gefeiert. Mit dabei: Niclas Pieczkowski, Nationalspieler aus Letmathe, dem ein goldenes Jahr bevorsteht.
Mütter haben für so etwas einen Blick. Niclas Pieczkowski erklimmt vom Spielfeld der Tauron-Arena aus die drei, vier Sitzreihen, die es bedarf, um diesen Moment mit seinen Liebsten zu teilen. Diesen übergroßen Moment, der sich so schwer in Worte kleiden lässt. Die goldene Medaille baumelt um seinen Hals, als er seine Freundin Linja, Mama Britta und Papa Uli in die Arme schließt. Unglaublich, sagt er nur, unglaublich. „Gesagt hat er nicht viel. Das musste er auch nicht. Er sah nämlich stark so aus, als hätte er ein Tränchen verdrückt“, meint die Mama. Tränen der Freude an einem Abend für die Ewigkeit.
Party für die Helden
Nicht viel weniger ist den Männern gelungen, die da am Montagnachmittag auf dem Flughafen Tegl in Berlin eintrafen. Sensationell hatten sie den Titel bei der Handball-Europameisterschaft gewonnen. Der Empfang geriet zur einer Party mit Feuerfontänen, Lichtshow und goldenem Konfetti. Fast 10 000 Zuschauer feierten die neuen Helden der Nation. Einer von ihnen ist: Niclas Pieczkowski, der Mann aus Letmathe, der Handball-Europameister aus Südwestfalen. Im Rathaus in Iserlohn laufen derzeit die Planungen, wie die Leistung des hoch dekorierten Sohnes der Stadt gewürdigt werden kann. „Dass sein Weg mal bis in die Nationalmannschaft führen würde, das hätten wir auch nicht gedacht“, sagt Mama Britta.
Wobei die Anzeichen einer gewissen Neigung zum Handball im Hause Pieczkowski nicht übersehen werden konnten: Mit vier Jahren betrieb der kleine Niclas erstmals den Sport, der in der ganzen Familie eine große Rolle spielt. Er bekommt zum Geburtstag einen eigenen Handball geschenkt. Er nimmt ihn nachts statt seines Stoffteddys mit ins Bett.
Beim Letmather TV spielt er zunächst. Das große rot-weiße Banner des kleinen Klubs hält Pieczkowski während der EM in die Kamera. Die Eltern hatten es mitgebracht, sie wohnen noch immer in dem Iserlohner Stadtteil. 2006 wechselt er zu Eintracht Hagen. Sein damaliger A-Jugend-Trainer Sasa Simec erinnert sich genau: „Mein erster Eindruck von ihm: Ein Athlet, der unters Hallendach springen kann und ein Kanonenrohr im Arm hat.“ War damals schon klar, dass er Bundesligaspieler werden würde? „Mir war klar, dass es in diese Richtung gehen könnte“, meint Simec.
Vier Jahre lang spielt er in Hagen, wechselt nach Essen, steigt mit Tusem in die Bundesliga auf. Beim TuS N-Lübbecke besticht er durch Tore, durch Einsatz, durch harte Arbeit. Im April 2015 macht ihn Bundestrainer Dagur Sigurdsson zum Nationalspieler. Kein Jahr später darf sich Pieczkowski Europameister nennen. Viel mehr gibt es kaum zu erreichen.
Ein Geschenk des Bundestrainers
Nach einer durchwachten Nacht sind die Augen von Niclas Pieczkowski am Montag klein, die Stimmer heiser. Die Goldmedaille hängt wieder um seinen Hals. Als es amtlich wurde, als die Sirene dröhnte und den Triumph gegen die überforderten Spanier amtlich machte, da stand Pieczkowski auf dem Parkett. Die großen Rollen hatten andere bei diesem Turnier ausgefüllt: Torwart Andreas Wolff, Torgarant Tobias Reichmann oder Abwehr-Hüne Finn Lemke etwa.
Aber Pieczkowski war da, wenn man ihn brauchte. Er half auf ungewohnter Position aus, erzielte Tore, hielt die Abwehr zusammen. Die Einsatzzeit in den letzten Minuten des bereits entschiedenen Spiels dürfen als Geschenk des Bundestrainers interpretiert werden für einen, der sich in den Dienst der Mannschaft gestellt hat, der für das steht, was dieses Team ausmachte: Gemeinschaftssinn. „Er ist der perfekte Spieler für jeden Trainer“, lobte Nationalmannschafts-Manager Oliver Roggisch den 26-Jährigen am Montag nach der Rückkehr in Berlin. Und Pieczkowski selbst meinte: „Es ist bei einem solchen Turnier egal, wo du spielst, Hauptsache du spielst. Das mitmachen zu dürfen, ist ein Erlebnis.“
Ein unvergessliches Erlebnis. Wie wohl auch der Tag im Juli, der da naht. Dann nämlich wird Niclas Pieczkowski seine Freundin Linja heiraten. Ein goldenes Jahr. Gut möglich, dass die Freudentränen von Krakau nicht die letzten im Hause Pieczkowski waren.