Hagen. . Kurz vor Weihnachten führen in Hagen ein Christ, ein Atheist und zwei Muslime ein Gespräch über Gott und die Welt.

  • Mit jedem Attentat wird der Dialog der Religionen schwieriger.
  • Umso mehr muss das Gespräch gesucht werden, um Missverständnissen vorzubeugen.
  • Das ist das Ergebnis einer Gesprächsrunde im Hagener Pressehaus.

Der Wunsch nach Frieden verbindet Religionen. Vor Weihnachten, dem christlichen Fest des Friedens, wollten wir wissen, wie es um den Dialog zwischen den ­Religionen bestellt ist. Nadim Akbaba, (Integrationsrat der Stadt ­Hagen), Mikail Isik (Bündnis Hagener Muslime) und Christian Haase (Schulseelsorger am katholischen Hildegardis-Gymnasium Hagen) setzen sich in unserem Pressehaus an einen Tisch. Mit Lukas Schliepkorte soll ein Atheist mit dabei sein. Er muss kurzfristig absagen, ­beteiligt sich aber telefonisch am Gespräch über Gott und die Welt.

Warum ist der Dialog zwischen den Religionen so wichtig?

Christian Haase: Alles, was Menschen nicht kennen, macht ihnen Angst, schürt Vorurteile. Je mehr ich über andere Religionen weiß, umso besser kann ich damit umgehen.
Nadim Akbaba: Mir ist aktuell ein Vorfall an einer Schule zu Ohren ­gekommen. Ein Schüler hat, ­womöglich etwas laut, „Allah ist groß“ gerufen. Daraufhin wollte ihn die Schulleitung nach Hause ­schicken. Ich habe davon ­abgeraten. Wenn ein Christ „Gott ist groß“ rufen würde und man ihn aus dem Unterricht nehmen wollte, würde das auch nicht gut ­ankommen. Es zeugt von Unwissen, wenn man ­„Allah ist groß“ als Aufruf zum ­heiligen Krieg versteht. Man muss den Dialog ­suchen, damit es nicht zu solchen Missverständnissen kommt.
Lukas Schliepkorte: Neulich habe ich mich mit einem Flüchtling unterhalten, der doch sehr irritiert war, dass ich nicht an Gott glaube. Eine solche Vorstellung war ihm völlig fremd. Am Ende des Gesprächs hat er verstanden, dass man nett sein kann, ohne an Gott zu glauben. Als Religionsfreier ist man nicht automatisch ein schlechter Mensch.

Wie setzt man einen Dialog praktisch um?

Mikail Isik: Vor Jahren haben wir Christen zu unserem Fest des Fastenbrechens eingeladen. Im Gegenzug waren wir bei einer Weihnachtsfeier. Ich kann mir gut eine Art Partner-Familie zwischen muslimischen und Familien anderer Glaubensrichtungen vorstellen – ähnlich dem Partnerstadt-Modell. Dass man sich gegenseitig besucht, mehr über den anderen erfährt. Das fördert das Verständnis.
AdventAkbaba: Man muss offen sein für andere Religionen. Wir müssen ehrlich und offen miteinander reden können. Religionen sind dafür da, damit die Menschen friedlich mit­einander leben.

Will die Gesellschaft den Dialog zwischen den Religionen?

Akbaba: Es wird immer schwieriger, je mehr Attentate verübt werden. Dann geraten Muslime schnell unter Rechtfertigungsdruck, obwohl islamistische Terroristen nichts mit dem Islam zu tun haben.
Haase: Ich finde es schlimm, wenn Muslime sich in eine Verteidigungshaltung gedrängt fühlen. Der gesunde Menschenverstand müsste differenzieren können. Ich glaube auch, dass der Dialog schwieriger wird. Das liegt aber daran, dass Religion in Deutschland nicht mehr so eine große Rolle spielt. Ich gebe zu, in einigen Fällen hat die Kirche die Lage selbst verschuldet.

Warum sind Sie Atheist?

Schliepkorte: Weil kein Glaube in der Lage war, mich zu überzeugen. Ich bin für jeden Dialog offen – mir ist aber noch nicht plausibel belegt worden, dass es eine höhere Macht gibt. Ich will aber gar nicht verhehlen, dass Religion in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert hat. Und es wird viel Gutes im Namen der Religion gemacht.

Was sagen Sie einem Atheisten, warum Sie an Gott glauben?

Haase: Das ist so, als frage man Liebende, warum sie sich küssen. Für mich gehört mein Glaube dazu. Er stärkt mich in vielen Situationen und leitet mich im Umgang mit meinen Mitmenschen. Wir können im Übrigen ganz viel von den Muslimen lernen. Wie sie den Glauben als Bereicherung ansehen und darüber reden. Ich erlebe inzwischen Schüler, die nicht sagen, dass sie Messdiener sind. Weil ihnen das peinlich ist und sie ausgelacht würden. Wo sind wir angekommen?
Isik: Ohne das tägliche Gebet, ohne zu glauben, wäre das Leben zu hart und darüber hinaus auch viel zu langweilig.

Wo sehen Sie die Rolle der Religionen in der Flüchtlingsfrage?

Haase: Es ist durch den christlichen Glauben begründet, dass wir helfen. Die Menschen müssen in der Gesellschaft schnell ankommen und integriert werden. Da darf Religion eigentlich gar keine Rolle spielen.
Akbaba: Unser Prophet hat einmal gesagt: So lange dein Nachbar nichts zu essen hat, darfst du nicht satt werden. Für uns ist es ein Glück, dass der Gott uns die Möglichkeit gibt, Menschen in Not zu helfen.

Was wünschen Sie sich?

Akbaba: Unser Wunsch ist, dass man den IS nicht mehr als Islamischen Staat bezeichnet. Diese Terroristen haben keinen Glauben – sonst würden sie das nicht tun. Sie wollen unseren Islam in Verruf bringen. Wir müssen als Gesellschaft mit verschiedenen Religionen gegen den IS zusammenhalten. Und wir dürfen nicht sagen: Der eine ist mehr gläubig, der andere weniger.

Isik/Akbaba: Wir möchten nicht versäumen, an dieser Stelle unseren christlichen Mitbürgern frohe Weihnachten zu wünschen.