Hagen. . Lückenschluss der Trägerkonstruktion der neuen Lennetalbrücke der A45 in Hagen. Zehn Zentimeter trennen die Teile. Am Donnerstag beginnen die Schweißarbeiten.

Blik. Immer wieder Blik. Es kann nicht genug davon sein. Männer mit Helmen auf dem Kopf und Spüliflaschen in der Hand haben auf dem Gerüst gut zu tun. Eifrig spritzen sie das Geschirrspülmittelkonzentrat auf den Beton.

Ein ungewöhnliches Bild – für eine Baustelle. Die Elemente aus Teflon unter der Stahlkonstruktion sollen so richtig flutschen können. Je mehr Spüli, desto weniger Reibung. Warum? Damit sich die beiden 600 und 400 Meter langen Teile der Stahlkonstruktion der neuen Lennetalbrücke von Süden und Norden auf den letzten Metern zur Stahl-Hochzeit näher kommen. Millimeter für Millimeter.

Auge nimmt kaum Bewegung wahr

Und? Die Beobachter sehen erst einmal, dass sie nichts sehen. 2,50 Meter, oder eine Idee weniger, trennen die Teile im rot-blauen Gewand in luftiger Höhe. Das bloße Auge nimmt keine Bewegung wahr. „Vielleicht traut sich die Braut nicht“, flachst Projektleiter Michael Neumann von Straßen NRW. Der 54-jährige Bauingenieur aus Hagen weiß, mit dem Reinigungsmittel aus der Küche ist es bei diesem außergewöhnlichen Vorhaben nicht getan. „Es ist viel Hightech im Spiel, die niemand sieht.“

Die Annäherung auf Augenhöhe ist hoch kompliziert. Neumann: „Es wird ständig neu justiert und austariert, geschoben und gezogen. Gewichte helfen dabei. Immerhin müssen heute 5000 Tonnen Stahl kontrolliert bewegt werden. “

Alles muss für die hydraulische Steuerung perfekt passen. Die geringste Zugkraft, die benötigt wird, diese Angabe für Experten, sind an diesem Tag etwa 3000 Kilonewton. „Sie müssen sich den Vorgang so ähnlich wie beim Tauziehen vorstellen.“ Gut. Bilder helfen, um diesen Vorgang, der sich über Stunden hinzieht, zu verstehen.

Stahl aus Finnland und Polen

Dass es angesichts dieser stählernen Schwergewichte bei der Hochzeit nicht zu einem innigen Kuss kommen darf, ist einsichtig. Zehn Zentimeter Abstand sind vorerst geboten, damit der Rohstahl aus Finnland und Polen, verarbeitet im sächsischen Zwickau, für die nächsten 60 bis 70 Jahre hält. Von dem Unternehmen, das auch das „Blaue Wunder“ von Dresden gebaut hat. Eine Attraktion für Touristen. So richtig heiß her geht es für die neue Verbindung ab morgen. „Dann beginnen wir mit den Schweißarbeiten.“ Zwei bis drei Monate hinken die Bauarbeiten hinter dem Zeitplan. Anlass zur Beunruhigung sieht Neumann nicht. „Wir sind wahrscheinlichen die einzigen, die sich in diesem Jahr keine weiße Weihnacht wünschen, wir setzen auf einen milden Winter.“

Zeitgleich mit dem Zusammenschluss der Trägerkonstruktion werden derzeit bereits Fertigteile aus Beton für die Fahrbahn mit den Kränen nach oben gehievt. Wie weiter? „Mitte nächsten Jahres“, sagt der Projektleiter, „wird der Verkehr von der alten Brücke auf den neuen Überbau Richtung Frankfurter verlegt. Danach wird die alte Brücke abgerissen. Das dauert sechs bis sieben Monate.“ Die Fertigstellung terminiert er auf das Jahr 2018. „Auf einen Monat lasse ich mich nicht festlegen.“

Schüler als Augenzeugen

Er hat, das gibt er gern zu, „eine besondere Beziehung zu dem Projekt entwickelt“. Über die Aufmerksamkeit, mit der die Bauarbeiten verfolgt werden, freut er sich. „Das haben wir unterschätzt. Je mehr die Leute den Fortschritt sehen, desto größer das Interesse.“

So erklärt er den 32 Jungen und Mädchen der 7a vom Hagener Albrecht-Dürer-Gymnasium plakativ den Bau der Brücke: „10 000 Tonnen Stahl, so viel wie im Eiffelturm werden hier verbaut.“ Die Kinder staunen. Noch mehr, als sie erfahren, wie wichtig Spülmittel in diesem historischen Moment ist. Das hat anfangs niemand geblickt.