Hagen. Bertelsmann-Studie: Südwestfalens Wirtschaftsexperten setzen sich dafür ein, dass Flüchtlinge schneller als bisher in Arbeit gebracht werden können.

Südwestfalen wird als Wirtschaftsstandort nicht ohne Weiterqualifizierung der in der Region lebenden potenziellen Arbeitskräfte auskommen. Gleichzeitig besteht aber auch wegen der sich der Rente nähernden Babyboom-Generation (Jahrgänge 1955 bis 1964) erhöhter Zuwanderungsbedarf aus dem Ausland. Das ist das Fazit einer Umfrage unter Wirtschaftsvertretern zur jüngsten Bertelsmann-Studie, die für deutschen Arbeitsmarkt einen Bedarf von jährlich 533.000 Zuwanderern errechnet hat.

„Wir müssen die Unternehmer aufrütteln, und wir müssen die Zuwanderung besser organisieren, sagte Landesarbeitgeberpräsident Maier-Hunke, Unternehmer (Durable Bürobedarf) aus Iserlohn. „Das ist bisher weniger Organisation gewesen als Behinderung.“ Viele Menschen mit Migrationshintergrund lebten derzeit in Auffanglagern und müssten schneller als derzeit in Arbeit gebracht werden, kritisierte Maier-Hunke. Das gelte vor allem für die vielen Kriegsflüchtlinge mit teils guter Qualifikation.

„Wir brauchen mehr Zuwanderer, und der Markt allein kann es nicht richten“, ergänzt Egbert Neuhaus, Vorsitzender des Unternehmensverbandes Westfalen-Mitte, der die Bertelsmann-Studie als „Weckruf“ versteht. Deutschland habe viele Bürgerkriegsflüchtlinge, und das müsse genutzt werden. Neuhaus fordert daher „neue Formen der Zusammenarbeit“ zur Bewältigung des Fachkräfteproblems in Südwestfalen: Von Kommunen, Ausländerämtern, Arbeitsagenturen und der regionalen Wirtschaft. Dies sei eine existenzielle Frage für viele Unternehmen, vor allem für diejenigen, die sich bisher nicht genug um Arbeitskräftenachwuchs gekümmert hätten.

Vielfalt hilft

„Vielfalt hilft und schadet nicht, deshalb Ja zur Zuwanderung“ findet auch Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen und Experte für berufliche Bildung. Seine Botschaft ist einfach: Globalisierung findet auch in Südwestfalen statt - „wir müssen die Talente in den Erstaufnahmelagern möglichst schnell erkennen und fördern.

Auf diesem Weg gibt es laut Gräbener aber noch Zuständigkeits-Dschungel zu lichten und viele bürokratische Hindernisse zu überwinden: Unbegrenzte Niederlassungsfreiheit, etwa für ausländische Absolventen, die in Deutschland studiert haben. Abschaffung der Prüfung, ob bevorrechtigte Auszubildende verfügbar sind für diejenigen, die als Lehrlinge kommen und Wegfall der Positivliste, damit ausländische Fachkräfte nicht nur in Berufe können, in denen das Angebot knapp ist. Ein konkretes Arbeitsplatzangebot und deutsche Sprachkenntnisse müssten reichen, meint Gräbener. Allein auf Zuwanderung in die Region zu setzen, führt also nicht zum Ziel - es gibt noch genug fragwürdige Zugangssperren abzubauen.

Weltmarktführer-Broschüre

Aber welcher qualifizierte Ausländer kommt freiwillig - trotz billigen Wohnraums, attraktiver Arbeitsplätze und eines grünen Umfeldes? Städtenamen im Sauerland sagen vielen nichts. „Die Weltmarktführer-Broschüre kann dabei helfen“, glaubt Andreas Lux, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der SIHK zu Hagen.

Ansonsten reichten die begonnenen Qualifizierungsmaßnahmen für potenzielle Arbeitskräfte noch drei bis fünf Jahre, bevor man ernsthaft über weitere Zuwanderung nachdenken müsse. Und für Hubertus Winterberg, Geschäftsführer der Südwestfalen Agentur, ist vor allem eines wichtig: „Wir müssen den Menschen nicht nur eine berufliche Perspektive bieten, sondern auch Heimat.“ Und gerade in den Großstädten wachse ein „neues Bewusstsein für die Lebensqualität des ländlichen Raumes.“