Winterberg. . Er sollte ein Stechen um den vierten Startplatz im deutschen Team fahren. Doch plötzlich nominierten die Skeleton-Bundestrainer einen anderen und teilten Alexander Gassner das Aus für die Heim-WM in Winterberg mit. Das sorgt für heftige Reaktionen.
Jens Morgenstern lächelt, als er durch das riesige weiße Zelt geht. Von allen Seiten wird der 1. Vorsitzende des BSC Winterberg gegrüßt. Hier gilt es eine Hand zu schütteln, dort ein kurzes Gespräch zu führen. Rappelvoll sind die Stuhl- und Tischreihen, vor der Theke drängeln sich ebenfalls die Menschen. Weil die Bob- und Skeleton-WM mit Blasmusik und kurzweiligen Interviews inoffiziell eröffnet wird, sorgt dieser Sonntagnachmittag für gute Laune in Winterberg. Es wird gelacht, es wird applaudiert. Wieder und wieder.
Auch Jens Morgenstern lächelt. Äußerlich. Innerlich ist dem BSC-Chef erstmal nicht danach zu Mute. Innerlich brodelt es in ihm. Die WM, die sein Klub ehrenamtlich mitorganisiert und in der so viel Herzblut steckt, wird bereits von einem Skeleton-Skandal überschattet. Im Mittelpunkt: Alexander Gassner, Pilot des BSC.
Ihn sehen Morgenstern und Co. um den Startplatz bei der Heim-WM an der Kappe gebracht. Sie sehen ihn wahlweise als Opfer einer fein gesponnenen Intrige der Bundestrainer Jens Müller und Dirk Matschenz oder als Opfer erstaunlicher Unkenntnis der beiden sowie der Verantwortlichen beim Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD).
Am Samstag hätte Gassner ein Stechen gegen Martin Rosenberger vom WSV Königssee um den vierten Startplatz im deutschen WM-Team fahren sollen. Am Freitag allerdings wurde dies abgesagt und Rosenberger nominiert. „Ein Stechen zwischen den beiden Sportlern erübrigte sich, nachdem der bei der FIBT (Internationaler Bob- und Skeleton-Verband; d. Red.) eingereichte Antrag zur Ausnahmegenehmigung für den Start von Alex Gassner, der die Startvoraussetzung für die WM nicht erfüllt, abgelehnt wurde“, hieß es auf der Internetseite des BSD.
„Jeder Athlet, der zur WM starten will, muss in der laufenden Saison mindestens drei internationale Rennen absolviert haben“, erklärt Jens Morgenstern einen Passus im Regelwerk. Gassner fehlen diese Rennen. Weil er selbst nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft in Winterberg Anfang Januar nicht berücksichtigt wurde.
„Wieso haben das die verantwortlichen Trainer Jens Müller und Dirk Matschenz nicht beachtet?“, fragt Morgenstern und holt zur Generalabrechnung mit Müller und Matschenz aus, die Gassner bereits im vergangenen Jahr einen Start bei den Olympischen Spielen verwehrten und den dritten Startplatz unbesetzt ließen. Morgenstern spricht von „Desinteresse“, „Unfähigkeit“ und „Machenschaften“.
„Wird Alex systematisch mürbe gemacht? Aber natürlich“, schimpft er, fordert personelle Konsequenzen und droht sogar damit, die Skeleton-Abteilung seines Klubs zu schließen. Ein prominenter Unterstützer der Kritik ist Wilfried Stork, Präsident des nordrhein-westfälischen Bob und Schlitten Sportverbandes und Vize-Präsident des BSD. „Das darf nicht passieren“, sagt Stork. „Das ist unmöglich, denn Alex Gassner hätte das Stechen gewonnen. Ich werde das zur Sprache bringen. Es wird nicht vergessen.“ Vorerst aber solle der Sport im Vordergrund stehen - und die tolle Atmosphäre.
Jens Morgensterns Erklärung im Wortlaut
Die Erklärung des 1. Vorsitzenden des BSC Winterberg, Jens Morgenstern, zum WM-Aus für Alex Gassner: „Der Vorsitzende und der Ehrenvorsitzende des BSC Winterberg sowie der Präsident des NWBSV trauen ihren Ohren nicht! Ein Deja-vu! Was war passiert? Die FIBT hat die Nominierung des Skeleton-Athleten Alexander Gassner vom BSC Winterberg zurückgewiesen. Wieso? Es gibt einen neuen Passus im Skeleton-Reglement. Jeder Athlet, der zur WM starten will, muss in der laufenden Saison mindestens drei internationale Rennen absolviert haben. Und Alex hat diese nicht. Wieso haben das die verantwortlichen Trainer Jens Müller und Dirk Matschenz nicht beachtet? Hierzu könnte man zwei Theorien aufstellen:
Theorie 1: Sie haben es wirklich nicht gewusst. Dann müsste man Desinteresse oder Unfähigkeit unterstellen. Dann wären die falschen Leute hier am Ruder.
Theorie 2: Sie haben es gewusst. Dann wäre es ein zugegeben sehr gut ausgeführter, vorsätzlicher Plan. Sehr clever! Denn Alex hätte nie eine Chance auf die Teilnahme an der WM gehabt. Dann wären nicht nur die falschen Leute am Ruder, es wären auch schon Machenschaften, die eines Sportlers nicht würdig sind und welche die Grundfesten des Sports erschüttern.
Aber wieso ein Deja-vu? Wir erinnern uns an die Situation vor einem Jahr. Die Olympischen Winterspiele in Sotchi stehen an. Die Deutsche Olympiamannschaft wird nominiert. Auch Skeleton. Aber warum nur zwei Herren? Warum bleibt der dritte Startplatz frei? Weil die verantwortlichen Trainer, übrigens die Selben wie jetzt, einen Alexander Gassner nicht dabei haben wollen. Und das mit der besten Startleistung der deutschen Herren. Aber auf die Startleistung kommen wir noch. Die schlussendliche Begründung war, dass der DOSB der Nachnominierung nicht zugestimmt hat. Wieso überhaupt eine Nach- und keine rechtzeitige Nominierung? Wir wissen es nicht. Deja-vu erklärt!
Man könnte ja Gnade vor Recht ergehen lassen und einen Fehler des Trainergespanns durchgehen lassen. Aber nicht in diesem Fall! Warum eigentlich nicht? Weil es eben um Alexander Gassner geht! Er ist übrigens Deutscher Meister 2015! Auf der WM-Bahn! Genau, er ist der beste deutsche Skeletoni auf der WM-Bahn in der WM-Saison. Und was passiert, nachdem Christopher Grotheer Junioren-Weltmeister geworden ist und somit ein zusätzlicher Startplatz für die deutschen Herren zur Verfügung steht? Das schon mehrfach zitierte Trainergespann will den fünftplatzierten der JWM, Martin Rosenberger nominieren. Nach Intervention des Winterberger Stützpunktes soll es ein Stechen zwischen Rosenberger und Gassner geben. Wie hat Martin Rosenberger eigentlich zur DM abgeschnitten? Er belegte Platz fünf mit 1,14 Sekunden Rückstand zu Alexander Gassner. Und wo kommt Martin Rosenberger überhaupt her? Vom WSV Königssee. Königssee? Bayern? Wo war der Interims-Bundestrainer Dirk Matschenz noch mal tätig? In Bayern! Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
An dieser Stelle kommen wir gern noch mal auf die Startnorm zu sprechen. Alexander Gassner hatte sie nicht geschafft. Und ist damit aus allen Planungen raus. Warum wurde er im letzten Jahr als bester Starter nicht mit zu Olympia genommen? Auch das entzieht sich unserer Kenntnis. Wie sieht es denn hier bei Martin Rosenberger aus? Auch er hat keine Startnorm stehen. Und warum fährt er zur WM? Weil es plötzlich aus dem mehrfach zitierten Trainer-Duo die Festlegung gibt, dass bei Rosenberger eine Startnorm nicht nötig ist, weil er das Super-Talent ist und diese nicht nötig hat. Ja genau, dieses Trainerteam, welches nur anhand reeller Zahlen entscheiden wollte, nimmt es jetzt bei einem, wie schon gesagt, bayerischen und nicht westfälischen Sportler seine eigenen Festlegungen nicht mehr so genau. Das nennen wir eine „klare Linie“.
Und was ist mit Alex? Er ist schon die letzte Saison durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen. Am Ende mit einen negativen Ausgang. Und das wiederholt sich jetzt auch wieder. Er ist nicht beliebt im Trainergespann Müller/Matschenz. Wieso? Alex hat eigene Gedanken. Passt sich nicht 100%ig an. Schwimmt schon mal gegen den Strom. Er muss auch nicht der weichgespülte nette Junge von nebenan sein. Er muss Leistung bringen. Und genau das hat er gegen die gesamte innerdeutsche Konkurrenz zur Deutschen Meisterschaft getan. Übrigens ohne einen Testwettkampf, einen Weltcup oder ähnliches im Vorfeld.
Wir zitieren hier einen Auszuge aus der Internetseite des BSD: „Ein Stechen zwischen den beiden Sportlern erübrigte sich, nachdem der bei der FIBT eingereichte Antrag zur Ausnahmegenehmigung für den Start von Alex Gassner, der die Startvoraussetzung für die WM nicht erfüllt, abgelehnt wurde. Aufgrund der Ablehnung dieses Sonderantrages, ist Alexander Gassner durch die FIBT bei der WM nicht startberechtigt. So geht der verbleibende vierte Startplatz bei den Männern an Nachwuchsfahrer Martin Rosenberger.“ Selbstkritik? Ein Eingestehen der eigenen Unfähigkeit? Fehlanzeige! Eine öffentliche Entschuldigung für ein unsportliches Verhalten in Richtung Alexander Gassner oder den BSC Winterberg? Fehlanzeige! Welcher Hochmut ist hier an der Tagesordnung. Unglaublich!
Übrigens, schadet diese Entscheidung eigentlich auch dem BSC Winterberg? Auch diese Frage wird mit einem ganz eindeutigen „Ja“ beantwortet. Der Club ist einer der wenigen in Deutschland, der sich fast ausschließlich aus Sponsoreneinnahmen finanziert. Und das auch recht erfolgreich. Es gibt in NRW leider nicht diese komfortable Landesförderung wie in anderen Landesverbänden. Hier wird es anders, und vor allem mit hohem ehrenamtlichen Engagement gelöst. Diese Sponsoren verlangen zu recht auch Gegenleistungen. Einen WM-Startplatz kann man nicht alle Tage in die Waagschale werfen. Der Werbeauftritt ist durch nichts zu ersetzen.
Gibt es diese gravierenden Probleme denn auch in den anderen Disziplinen des BSD? Nein! Diese Entwicklung gegen Alexander Gassner ist bei Weitem kein Problem des gesamten BSD. Sowohl bei den Rodlern als auch bei den Bobsportlern gibt es so etwas nicht. Auch hier gibt es Rotationen, es werden Athleten ausgetauscht oder nicht mit zu Wettkämpfen genommen. Aber hier gibt es nachvollziehbare Regularien und Erklärungen. Und es wird zu Gunsten des Athleten entschieden!
Allein die Abteilung Skeleton leistet sich einen solchen Skandal! Und macht damit einen jungen Athleten kaputt! Hiermit kommen wir zurück zur Überschrift. Wird Alex systematisch mürbe gemacht? Aber natürlich! Wie viele dieser Hiobsbotschaften soll Alex noch ertragen? Es käme dem Skeleton-Trainergespann bestimmt nicht ungelegen, wenn Alex seinen Skeleton für immer an den berühmten Nagel hängen würde. Und hier kommen auch wieder der Vorsitzende und der Ehrenvorsitzende des Clubs sowie der Präsident des Landesverbandes ins Spiel. Sie werden alles daran setzen, dass Alexander Gassner seine sportliche Laufbahn weiter führen kann. Versprochen!“