Siegen/Hagen. . 100 Kilometer, 32 Brücken: Eigentlich ist es ein Ausbau – aber die A45 zwischen Schwerte und Siegen entsteht komplett neu. Ein Milliardenprojekt.

Auf der A 45 müssen alle 32 Talbrücken zwischen Schwerte im Norden und Siegen im Süden komplett neu gebaut werden; dabei soll die Autobahn auf dem rund 100 Kilometer langen Abschnitt durchgängig auf sechs Spuren erweitert werden.Die Kosten alleine für die Brückenbauten liegen bei 1,3 Milliarden Euro.

Sie hat nicht nur mächtig an Glanz verloren, die Königin der Autobahnen: Die Sauerlandlinie ist rund 45 Jahre nach ihrer Fertigstellung zum teuren Sanierungsfall geworden. Was dabei die Kosten in die Höhe treibt: Alle großen Talbrücken zwischen Westhofener Kreuz und Hessen müssen neu gebaut werden, weil sie die Belastungen des Schwerlastverkehrs nicht mehr aushalten. Eine Sanierung reicht bei keiner Brücke mehr aus. Mit den Neubauten erfüllt sich eine alte Forderung aus der Wirtschaft: der durchgängig sechsspurige Ausbau der Schnellstraße.

Einmalig in der deutschen Nachkriegsgeschichte

Die Autobahn, eine wichtige Nord-Süd-Verbindung im Transitverkehr und ebenso eine Pendlerstrecke, wird damit im rollenden Verkehr praktisch neu gebaut – das ist einmalig in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Und wohl auch das Bündnis, dass sich zur Unterstützung formiert: „Wir sind A 45!“, taufte Landesverkehrsminister Michael Groschek (SPD) die Bewegung.

Groschek bezeichnete das Vorhaben am Mittwoch als „eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte Nordrhein-Westfalens“ und stellte den Ausbau in eine Reihe mit dem geplanten Regionalschnellzug Rhein-Ruhr-Express (RRX) und dem Neubau der Autobahnbrücken über den Rhein.

Es war ein ganz breiter Schulterschluss, der sich gestern im Bernhard-Weiß-Saal der Industrie- und Handelskammer in Siegen vollzog. Rund 170 Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung, CDU-nahe Firmenchefs und SPD-Abgeordnete sind dabei einer Meinung: Die Runderneuerung der A 45 ist dringend notwendig. Die Kammern Dortmund, Hagen und Siegen sagen dabei dem Landesverkehrsminister ihre Unterstützung zu; haben gemeinsam mit Professor Jürgen Steinbrecher, Bauingenieur und Verkehrsexperte an der Universität Siegen, sogar einen kompletten „Masterplan A 45“ ausgearbeitet.

Anders als im Revier gibt's keine Ausweichstrecke

Steinbrecher mahnt darin eine „optimale Steuerung von Planung und Bau“ an, damit keine Zeit verloren geht. Und: Die Beeinträchtigungen für Anlieger, Autofahrer und die heimische Wirtschaft soll möglichst gering ausfallen. Eine „längere Vollsperrung“, wie bei der Sanierung der A 40 (Ruhrschnellweg) in der Essener City, für die der Landesbetrieb Straßen NRW unlängst eine Auszeichnung als gelungenes Projektmanagement bekam, kann sich Steinbrecher auf der A 45 nicht vorstellen: „Das ist undenkbar.“ Es gibt, anders als im Ruhrgebiet, eben keine Parallelstrecke, keine Ausweichautobahn.

Steinbrecher fordert zudem eine frühe Beteiligung der Bevölkerung, damit es dort, wo Planungsrecht geschaffen werden muss, keine Einwände gibt oder gar längere Rechtsstreitigkeiten entstehen. „Dialog ist der Schlüssel“, gab Demoskopie-Fachmann Klaus-Peter Schöppner (früher Emnid) dem Projekt mit auf den Weg, damit Wutbürger und „Trillerpfeifen-Demokratie“ den Ausbau nicht aufhielten.

Verkehrsminister Groschek will "Bildung und Beton"

„Die Einladung zur Verantwortungsgemeinschaft nehme ich an“, sagte NRW-Verkehrsminister Groschek der Initiative der Handelskammern zu. Groschek steht zu dem Ausbau der A 45, daran ließ er keinen Zweifel, übte auch Selbstkritik an der Politik. Nach dem Pisa-Schock hätten sich die Schwerpunkte verschoben: „Bildung statt Beton war der Slogan. Besser wäre Bildung u n d Beton gewesen“, deutete er an, dass zu lange zu wenig Geld ins Straßennetz geflossen ist.

Der Landesminister betonte allerdings mehrfach: „Der Fortschritt des Ausbaus ist abhängig davon, wie viel Geld der Bund zur Verfügung stellt.“ Es gelte das Haushaltsprinzip des Bundestages: „Wir müssen jedes Jahr neu um die Gelder kämpfen.“ Dabei sollen die heimischen Bundestagsabgeordneten helfen. Nach Vorstellung von Straßen NRW sollen bis 2028 alle Brücken erneuert sein. Und die Königin der Autobahnen ihren Glanz wiedererlangt haben.