Hagen. . Die Bahn will mehr Bahnhöfe mit Videokameras ausrüsten. Polizei und Datenschützer warnen: Das allein helfe nicht, die Probleme zu lösen.

700 zusätzliche Kameras an 100 Bahnhöfen – die Deutsche Bahn baut die Videoüberwachung im nächsten Jahr deutlich aus. Und das zügiger als bislang geplant. Die Bewegtbilder sollen für bis zu 72 Stunden gespeichert werden. Bislang werden 640 Bahnhöfen in Deutschland videoüberwacht, nur an 140 Stationen werden die Bilder auch aufbewahrt, für bislang 48 Stunden. Welche Bahnhöfe überwacht werden sollen, muss erst noch in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei geklärt werden.

Konzentration auf Ballungszentren

Die Polizei begrüßt den Ausbau grundsätzlich als „Schritt in die richtige Richtung“, spart in diesem Zusammenhang aber nicht mit Kritik. „Die Videoüberwachung ist nur eine Ergänzung der mangelhaften Polizeipräsenz auf den Bahnhöfen“, sagt Jörg Radek, als stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zuständig für die Bundes- und damit auch die Bahnpolizei. Die müsse sich aufgrund des Personalmangels konzentrieren auf die Bahnhöfe in den Ballungszentren, „gerade in Nordrhein-Westfalen ist das ein Problem“, sagt Radek: „Wo sollen wir uns hier denn zurückziehen?“ Auf vielen Bahnhöfen sei die Bundespolizei deshalb nur mehr punktuell unterwegs, andere „bestreifen wir gar nicht mehr“, so Radek. Die Bundespolizei – die Bahn ist nur einer von mehreren Zuständigkeitsbereichen – bräuchte 2000 zusätzliche Stellen, fordert der Gewerkschafter.

Die Folgen des Personalmangels sind dramatisch: „Zum Teil haben wir Eingreifzeiten von einer dreiviertel Stunde“, sagt Radek, da helfe nur die Zusammenarbeit mit den örtlichen Polizeibehörden. Videoüberwachung auf dem Land diene deshalb in erster Linie der Beweissicherung.

Bahn sieht sich als vergleichsweise sicher

Auf Bahnhöfen und in Zügen ereignen sich im Durchschnitt täglich 40 Körperverletzungen. Angesichts von mehr als 7 Millionen Fahrgästen täglich sei das vergleichsweise wenig, argumentiert die Deutsche Bahn. So gebe es in Berlin bei 3,5 Millionen Einwohnern täglich 115 Körperletzungen.

Zwei Drittel der Rohheitsdelikte bei der Bahn ereignen sich rund um Massenveranstaltungen wie Fußballspielen, Konzerten und Volksfesten.

Die Gesamtzahl aller Delikte – darunter als größte Fallgruppen Sachbeschädigung, Diebstahl, Körperverletzung, Buntmetalldiebstahl, Hausfriedensbruch, Graffiti und Vandalismus – ist 2013 um fünf Prozent gesunken.

An dieser Stelle mahnt auch der Berliner Landesdatenschutzbeauftragte Alexander Dix vor einem allzu forschem Ausbau der Videoüberwachung: „Technik allein reicht nicht“, sagt Dix, „die Videokamera steigt ja nicht vom Mast und greift ein, wenn was passiert“. Videoüberwachung werde gemeinhin überschätzt, könne nur ein Baustein im Sicherheitskonzept der Bahn sein, postuliert der Datenschützer. Entlegene Stationen mit Kameras auszurüsten, sei in der Regel wenig hilfreich. Man brauche ein Einsatzkonzept, das zur Überwachung passe. Das bedeute in der Regel, dass mehr Personal nötig ist. Da liegen der Datenschützer und der Polizeigewerkschafter also auf einer Linie.

Die Bahn ist hier zurückhaltender: „Gefahrenabwehr und Strafverfolgung auf Bahnhöfen und in Zügen“ sei „Aufgabe der Bundespolizei“, erklärt ein Bahnsprecher Hintergrund: Die Bundespolizei wird vom Bund bezahlt. So einfach will die Polizei die Bahn jedoch nicht aus der Verantwortung entlassen. Jede Art von „qualifiziertem Personal“, sagt Arnold Pickert, GdP-Landesvorsitzender in NRW, sorge in den Zügen für mehr Sicherheit. Er nennt in diesem Zusammenhang ausdrücklich Schaffner, aber nicht „schlecht ausgebildetes Sicherheitspersonal“. Und zuständig für den Bahnbetrieb sei primär der Betreiber, also die Bahn und ihre Mitbewerber.

Kameras verhindern keine Affekttaten

Das Ziel des Ausbaus der Überwachung ist mehr Sicherheit. Als Allheilmittel will aber auch die Deutsche Bahn die Videotechnik nicht verkaufen: „Einen gewaltbereiten, oftmals im Affekt handelnden Täter kann keine Kamera abhalten“, räumt der Sprecher ein. Das sieht auch GdP-Mann Radek so, speziell, wenn dann noch Alkohol mit im Spiel ist.