Köln. Die digitale Suche nach dem Traumpartner enttäuscht Millionen. Aber es gibt Wege zum Erfolg. Tipps von einer Psychologin und Dating-Expertin.

Nein. Nein. Ja? Vielleicht. Ach nein: Nein! Blitzschnell entscheiden Menschen über andere Menschen, ob sie als Liebe fürs Leben taugen. Ein kurzer Blick aufs Foto – und schon wird aussortiert. Es könnte ja noch etwas Besseres kommen. Und so vergeht Zeit. Viel Zeit, in der einem die Lust vergeht, digital weiterzusuchen. Es kommt zum Online-Dating-Burnout.

Der Begriff taucht vermehrt in den sozialen Medien auf, in Zeitschriften. Ein Mode-Wort? Oder ist doch etwas dran, dass die Menschen online nach der großen Liebe suchen und nur Frust finden? Fühlen Sie sich wirklich ausgebrannt?

Wera Aretz, Professorin für Psychologie an der Hochschule Fresenius in Köln, forscht seit bald 15 Jahren zum Thema Online-Dating. In einer neuen Studie „Hate to date?“ ging sie der Frage nach, ob es Online-Dating-Burnout überhaupt gibt. Und wenn ja: Welche Menschen leiden darunter? Sie gibt zudem Tipps, wie man verhindert, völlig erschöpft aufzugeben und stattdessen die Chance auf Erfolg erhöht.

Online-Dating: „Mir fehlt die Energie“

Wofür steht der Begriff Burnout eigentlich? Er stammt aus der Arbeitswelt und bezeichnet eine psychologische Reaktion auf chronischen Arbeitsstress. Diese Reaktion ist Aretz zufolge gekennzeichnet durch drei Facetten: emotionale Erschöpfung, Zynismus und verminderte Leistungsfähigkeit. „Die Leute sagen beispielsweise: Ich fühle mich durch meine Arbeit ausgebrannt“, so die 51-Jährige. Sie sind anderen Menschen gegenüber gleichgültiger geworden. Und ihnen fehlt die volle Energie für ihre Arbeit.

Expertin für Online-Dating: Wera Aretz, Professorin für Psychologie an Hochschule Fresenius in Köln.
Expertin für Online-Dating: Wera Aretz, Professorin für Psychologie an Hochschule Fresenius in Köln. © Anna-Maria Langer Fotografie | Anna-Maria Langer Fotografie

Und genau diese Facetten des Burnouts wurden auch bei der neuen Online-Dating-Studie mit 2465 Teilnehmern deutlich. Darunter gibt es ebenfalls Menschen, die emotional erschöpft und zynisch sind, die keine Energie mehr aufbringen, weiterzusuchen. Wobei noch nicht eindeutig geklärt ist, ob diese Dimensionen immer gleichzeitig auftreten oder zeitversetzt. Die Menschen mit Online-Dating-Burnout sagen zum Beispiel: „Ich fühle mich durch Dating und die Erfahrung, die ich gemacht habe, frustriert.“ Oder: „Seitdem ich Online-Dating ausübe, bin ich Menschen gegenüber gleichgültiger geworden.“ Und: „Es interessiert mich eigentlich gar nicht mehr so richtig, was aus meinen Dating-Kontakten wird.“

Wera Aretz geht davon aus, dass rund drei Millionen Menschen in Deutschland unter Online-Dating-Burnout leiden. „Das ist dreimal Köln.“ Sie werden von einem Gefühl der Erfolglosigkeit begleitet. Sie swipen und swipen, wischen also Fotos vom Bildschirm weg, um die Guten von den vermeintlich Schlechten zu trennen, und haben dennoch keinen Erfolg. Dann stellen sie Aretz zufolge fest: „Ich lerne nur Leute kennen, die irgendwie zu wenig passen.“ Sie fangen an, sich zu vergleichen, an sich zu zweifeln. „Sie haben das Gefühl, dass sie zwar Zeit investieren, teilweise auch Geld, aber der erhoffte Erfolg nicht kommt.“

Online-Dating: Plötzlicher Kontaktabbruch

Die Menschen haben also beim Online-Dating schlechte Erfahrungen gemacht – und leiden deswegen unter Burnout. Sie hoffen weiter auf die große Liebe, schreiben mit der ausgewählten Person nach einem Match, also einer gegenseitigen Interessensbekundung, die die Kommunikation erst ermöglicht, haben sich mit ihr vielleicht sogar schon getroffen – und auf einmal meldet sich dieser Mensch nie wieder. Ohne Erklärung. „Ghosting“ nennt man solch einen Kontaktabbruch – eine weitere schlechte Erfahrung.

Zudem hat die Wissenschaftlerin erkannt, dass der Grund für Burnout auch in der Persönlichkeit der Nutzerinnen und Nutzer liegt. Sie verfügen zum Beispiel über einen geringen Selbstwert. Und auch der Bindungsstil, den sie in frühester Kindheit erlernt haben, spielt eine Rolle. Es gibt Menschen, die sind in der Lage, sich sicher zu binden, sie haben also keine Probleme mit Nähe. Andere sind da ängstlicher, können sich nicht gut auf andere Leute einlassen, vermeiden eher den Kontakt. Aretz stellte fest, dass Leute mit einer erhöhten Burnout-Gefahr diesem ängstlichen Stil zuzuordnen sind.

Online den Partner finden: Man muss eine Flut von Profilen beurteilen

Auch die Technik ist für viele herausfordernd, so Aretz. Das Online-Dating fordert eine hohe Entscheidungsgeschwindigkeit. „Man muss eine Flut von Profilen beurteilen und Likes vergeben, nach links oder nach rechts swipen, lediglich auf Basis bildhafter Informationen. Es besteht also die Notwendigkeit, sich schnell zu entscheiden und auch relativ intuitiv.“ Und mit dieser Art der Entscheidung haben so manche Nutzer und Nutzerinnen ein Problem. Wie kann man sich sicher sein, dass man sich richtig entscheidet?

Man glaubt, die große Liebe sei nur ein Klick entfernt. Aber meist bedeutet auch die Online-Suche viel Arbeit.
Man glaubt, die große Liebe sei nur ein Klick entfernt. Aber meist bedeutet auch die Online-Suche viel Arbeit. © Shutterstock / Roman Samborskyi | Roman Samborskyi

Und selbst wenn es ihnen gelingt, eine Wahl zu treffen: „Sie sind auch nach einer getroffenen Entscheidung unzufriedener.“ Vielleicht findet sich ja nach zwei weiteren Bildern ein noch besserer Partner oder eine noch bessere Partnerin? Dann beginnt die eigentliche Kontaktaufnahme. Und dabei verlieren Menschen, die eigentlich attraktiv sind, aber nicht gut und gewitzt schreiben können. Aretz: „In der Tat ist das etwas, womit man irgendwie punkten muss.“

Schließlich kann auch noch die Anonymität des Netzes zu Enttäuschungen führen. Aufgrund der fehlenden sozialen Kontrolle sind Beleidigungen oder auch das unaufgeforderte Senden erotischer Bilder wahrscheinlicher. Zudem füllt der Kopf schnell Informationslücken mit eigenen, schönen Fantasien, so Aretz. Dann ist man enttäuscht, wenn die Person wirklich und wahrhaftig vor einem steht. „Häufig stellt man sich das Gegenüber toller vor, als es ist. Man verliebt sich in eine Idealvorstellung.“ Und so erleben die Nutzer und Nutzerinnen ein Wechselbad der Gefühle. Zunächst glauben sie, sie hätten den einen Menschen gefunden. Im nächsten Moment kommt die kalte Dusche: Der Traumprinz ist ein Frosch – und verwandelt sich auch nicht in den Traumprinzen. Eine weitere Enttäuschung, die zu Online-Dating-Burnout führen kann.

>> Online-Dating: Tipps vom Profi für mehr Erfolg und weniger Erschöpfung

  • Achtsam sein! Wera Aretz möchte das Online-Dating nicht verteufeln. Im Gegenteil. Sehr viele Menschen finden dort ihr Glück. Aber: „Die einen finden in zwei Stunden den Partner fürs Leben, die anderen nie“, sagt Aretz. Sie empfiehlt, achtsam zu bleiben. Denn Burnout bekommt man nicht von jetzt auf gleich. „Das ist ein schleichender Prozess.“ Also nicht weitermachen, wenn man spürt: Das tut mir nicht gut.
  • Ein Zeitlimit setzen! „Die Wahrscheinlichkeit ist sonst groß, dass man viel mehr Zeit mit dem Online-Dating verbringt, als einem lieb ist.“ Lieber Push-Nachrichten ignorieren und sich nicht hetzen lassen.
  • Weniger ist mehr! Es gibt Menschen, die wollen möglichst viele Kontakte machen, weil sie glauben, dass das den Erfolg erhöht. Doch Aretz rät zu dem Motto: „Weniger ist mehr.“ Man sollte sich also ganz bewusst ein paar wenigen Kontakten widmen und der Entwicklung eines Kontaktes mehr Zeit beimessen. Denn natürlich gibt es Menschen, die stehen voreinander und wissen: Das ist es! Aber oft braucht es einfach Zeit, einen anderen richtig kennen- und lieben zu lernen.
  • Erlebnisse schaffen! Und zwar solche, die einen zufrieden machen, so Aretz: „In der Sonne spazieren gehen, neue Leute kennenlernen, fernab des Internets.“ Und wer weiß, vielleicht entpuppt sich ja der Mensch, den man online sofort aussortiert hätte, als die große Liebe.

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