Unna. Dreckige Schultoiletten sind vielerorts ein Ärgernis. In Unna griffen Realschülerinnen und -schüler zur Selbsthilfe. Mit sichtbarem Erfolg.

Du kannst die Luft anhalten oder eine Nasenklammer nehmen; in jedem, Fall versuchst Du, das stille Örtchen deiner Schule so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Schulklos sind No-go-Areas und haben meistens einen Ekelfaktor – nicht nur geruchstechnisch. Dabei ist die Sache ganz einfach: Schülerinnen und Schüler kümmern sich einfach selbst um die Sache mit ihren kleinen und großen Geschäften.

An der Hellweg-Realschule in Unna haben die Kinder und Jugendlichen aus dem immer währenden, nervigen Toiletten-Thema ein Mega-Projekt gemacht – und das mega erfolgreich. Denn „der Dreh- und Angelpunkt ist die Eigenverantwortung“, sagt Schulleiterin Sabine Terwort. Dann klappt es auch mit dem Klassenansturm auf die Klosetts.

Lokus im Fokus: Zusammen mit der Schülervertretung und den Vertrauenslehrerinnen wurden erst einmal die Probleme der Schultoiletten benannt. Schäbige, teils schmutzige Kabinen, kein Klopapier, keine Klobürste, kaputte Deckel, Uringeruch und eine echt öde Atmosphäre waren die Hauptkritikpunkte an den ungeliebten Anlagen. Die Mängelliste dürfte auch ohne großangelegte Studien landauf landab auf viele Schulen übertragbar sein.

An der Hellweg-Realschule in Unna sollten erstmals die Schüler bei der Neugestaltung mitbestimmen. Die Wunschliste wurde lang und länger, es gab viel Diskussionsstoff, am Ende demokratische Abstimmungen in allen Jahrgangsstufen – meistens online.

Auch Agata Koszucka (14, links) und Leonie-Sofi van Lir (16) gehören zum WC-Team. Die Mädchen wollten für ihre Toiletten bunte Graffiti-Folien und Bilder vom Meer.
Auch Agata Koszucka (14, links) und Leonie-Sofi van Lir (16) gehören zum WC-Team. Die Mädchen wollten für ihre Toiletten bunte Graffiti-Folien und Bilder vom Meer. © HO | Simone Melenk

Neue Bilder und Farben sollten her, Pflanzen, Musik und Discolicht, selbst eine Kritzelwand wurde aufgehängt, als Whiteboard auch für spätere Schüler-Generationen beschreibbar. Die Mädchen wollten LED-Spots am Spiegel (zum Schminken, versteht sich), Leuchtsternchen unter der Decke, Graffitis und Bilder vom Meer.

Die Jungen zielen beim Pinkeln jetzt in kleine Fußballtore, entschieden sich bei den Wänden für Stadion-Atmosphäre und ein Capybara – hahaha, Capybara = Wasserschwein! Handyhalterungen in den Kabinen hatten alle im Blick, die selbst gestalteten Fliesenbilder entstanden im Werk- und Kunstunterricht.

Der Förderverein der vierzügigen Schule mit rund 700 Schülern gab Geld. Und auch der Bürgerstiftung Unna war das Klo-Projekt eine vierstellige Summe wert – sozusagen als Anschubfinanzierung für einen Modellversuch und anderen Schulen zur Nachahmung wärmstens empfohlen. Für die großen Summen wurden in den Mädchen- und Jungentoiletten abschließbare schicke, aber pflegeleichte Waschtischschränke mit integrierten Becken angeschafft.

Stadionatmosphäre für die Jungs.
Stadionatmosphäre für die Jungs. © HO | Simone Melenk

Das Allerwichtigste an den neuen Toiletten ist allerdings die Aufsicht: Es haben sich genug Freiwillige gemeldet, die in den zwei Pausen aufpassen, dass keiner die neu gewonnene Wohlfühlatmosphäre stört und sich alle an die (von den Schülern selbst aufgestellten und plakatierten) Regeln halten. Ein älterer Schüler schiebt mit einem jüngeren Dienst, bei den Mädchen greift dasselbe System. Die Teams haben Schüsselgewalt, legen Klopapier nach, füllen Seife auf oder bevorraten den Tampon-Spender.

Die Unnaer Schülerinnen und Schüler sind stolz auf ihr Toiletten-Projekt und haben es sogar angemeldet für den bundesweiten Wettbewerb „Toiletten machen Schule“ – ausgelobt von der German Toilet Organization. Ja, die gibt es wirklich. Die GTO hat ihren Sitz in Berlin und findet: „Jede Schule sollte über saubere, sichere, hygienische Toiletten verfügen.“ Dafür arbeitet sie mit gemeinnützigen Partnern wie Verbänden und Stiftungen. Im Schnitt haben in der Vergangenheit 160 Schulen aus 14 Bundesländern an dem Wettbewerb teilgenommen. In diesem Jahr rechnen sich die Unnaer gute Gewinnchancen aus und hoffen auf ein Preisgeld. Denn auf ihrer WC-Wunschliste wollen sie noch das ein oder andere abhaken.

German Toilet Organization

Die Idee für die Gründung der German Toilet Organization zündete 2004, während des Wiederaufbaus nach dem verheerenden Tsunami in Südostasien. Vielen Hilfsorganisationen vor Ort fehlte das Fachwissen zur Umsetzung nachhaltiger Sanitärlösungen. Vision des Vereins: Alle Menschen haben Zugang zu einer nachhaltigen und sicheren Sanitär- und Wasserversorgung und praktizieren grundlegende Prinzipien der Hygiene. Die GTO setzt auf bestehende Netzwerke und ist in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Humanitäre Hilfe, Gesundheit und Umweltschutz aktiv. germantoilet.org/de/

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