Dortmund. Weil er den Entertainer Oliver Pocher geschlagen hatte, stand der Influencer Fat Comedy in Dortmund vor Gericht. So lautet das Urteil.

Das Internet vergisst nichts. Deshalb kann man heute immer noch sehen, was sich am 26. März 2022 in der Dortmunder Westfalenhalle abgespielt hat. Das sitzt Comedian und Entertainer Oliver Pocher in der ersten Reihe am Boxring, um seinen Kumpel Felix Sturm anzufeuern. Angeregt plaudert er in einer Ringpause mit seinem Sitznachbarn Christoph Daum, als plötzlich ein großer dicker Mann auf ihn zukommt und ihn ohne Vorwarnung so heftig ohrfeigt, dass es Pocher fast vom Stuhl haut.

„Komm mit“, ruft der Angreifer anschließend immer wieder, aber sein Opfer macht genau das Gegenteil. Pocher läuft weg, bis Ordner seinen Verfolger endlich stoppen. Keine Stunde später steht das Ohrfeigenvideo bereits im Netz. Und darunter stehen bald Kommentare wie: „Gut gemacht“ oder „endlich haut mal jemand dem Pocher in die Fresse“.

Fat Comedy zeigt sich reumütig – Angriff war „nicht geplant“

Der Mann, der damals zugeschlagen hat, heißt Giuseppe Sumrain, ist aber im Internet besser bekannt als „Fat Comedy“. Obwohl das mittlerweile nur noch bedingt stimmt. Knapp über 100 Kilo bringt der 24-Jährige noch auf die Waage. „Früher hatte ich 250“, sagt er in die Mikrofone, die ihm hingehalten werden und berichtet von einer Magenverkleinerung.

Schon gut eine halbe Stunde vor Beginn der Verhandlung am Dortmunder Amtsgericht, in der er sich wegen vorsätzlicher Körperverletzung verantworten muss, ist er am Freitag gekommen und sagt knapp, was sein Anwalt Burkhard Benecken wenig später in längerer Version als Erklärung vor Gericht verlesen wird. Kurzfassung: „Tut mir leid“, „Gewalt ist keine Lösung“, „war so nicht geplant“ „ich bitte um Entschuldigung“. Und die Hohn- und Spottvideos Richtung Pocher, die er immer wieder verschickt hat? „Die waren nicht okay. Das würde ich heute nicht mehr machen.“

Zufrieden mit dem Urteil: „Fat Comedy“
Zufrieden mit dem Urteil: „Fat Comedy“ © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Was folgt, ist ein Verfahren, in dem kaum etwas bestritten, aber viel beschönigt wird. Er sei damals von Freunden aus Berlin ganz spontan zu dem Boxkampf eingeladen worden, lässt er seinen Verteidiger erklären. Und als er dort Oliver Pocher gesehen habe, seien Erinnerungen hochgekommen an die Zeit, als er wegen seiner Leibesfülle überall gemobbt worden sei. „Der Dicke, der gleich explodiert“, sei er genannt worden. Und Pocher sei ja bekannt dafür, dass er auch gerne gegen andere Menschen austeile. Deshalb habe er ihm – quasi stellvertretend - die Meinung „geigen“ wollen. Aber auf dem Weg zum Stuhl seines Opfers sei die aber Wut so gewachsen, dass aus der geplanten Verbalattacke eine Ohrfeige worden sei.

Eine sehr heftige Ohrfeige sogar, wie Pocher am Freitag vor Gericht im Zeugenstand bestätigt. Zwei Tage akute Schmerzen habe er gehabt und sei längere Zeit bei einem Ohrenarzt in Behandlung gewesen, um einen bleiben Tinnitus zu vermeiden. Völlig überrascht worden sei er von dem Angriff. „Die Lage war undurchsichtig, ich wusste nicht, ob weitere Schläge folgen, ob Fat Comedy ein Messer hatte oder mir weitere Täter im Saal auflauern würden“. Kurzum: Eine Zeitlang habe er sich in einer „lebensbedrohlichen Situation“ gewähnt.

Über 4000 Menschen verfolgten im März 2020 den Boxkampf in der Dortmunder Westfalenhalle von Felix Sturm gegen Istvan Szili.
Über 4000 Menschen verfolgten im März 2020 den Boxkampf in der Dortmunder Westfalenhalle von Felix Sturm gegen Istvan Szili. © firo Sportphoto | Jürgen Fromme

Und auch was in den Wochen und Monaten danach im Netz geschehen sei, habe er so noch nicht erlebt, sagt der 46-Jährige. Dass er in den sozialen Medien, beschimpft, verhöhnt und sogar mit Mord bedroht werde – geschenkt. Das sei er gewohnt, „das ist ein ganz normaler Abend bei Instagram“. Dass sich aber Menschen nach einem von mehreren Videos, in denen Sumrain sich über die Ohrfeigenattacke lustig macht, vor seinem Haus zusammenrotten, klingeln und Hunderte Eier auf die Fassade werfen, „so etwas gab es vorher nicht“.

„Wild West-Methoden im Internet“

So etwas dürfe es auch nicht geben, stellt Oberstaatsanwältin Carola Jacobs in ihrem Plädoyer klar, in dem sie von „Wild West-Methoden im Internet“ spricht. Wenn man die nicht unterbinde, würden „schlicht gestrickte Gemüter“ glauben, dass Hass- und Hetz-Posts im Netz in Ordnung seien. Das sieht Pochers Anwalt Andreas Thiel ganz ähnlich. Das Video von dem Angriff in der Westfalenhalle sei nur entstanden, um im Internet Aufregung zu generieren und sich zu profilieren. „Die Strafjustiz muss einen Weg finden, mit diesem Phänomen umzugehen.“

Der Angeklagte mit seinen Anwälten Dirk Giese (l.) und Burkhard Benecken
Der Angeklagte mit seinen Anwälten Dirk Giese (l.) und Burkhard Benecken © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Im vorliegenden Fall wäre das für die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung plus Geldzahlung gewesen. Die Tat sei „keine Lappalie“ und „eine Aktion, die nicht hingenommen werden kann“, betont auch Richterin Stephanie. Holzapfel. Sie belässt es aber am Ende bei einer Geldstrafe von 1800 Euro (120 x 15 Euro). Unter anderem, weil juristisch nur eine einfache Körperverletzung vorliege. Vorbestraft ist der derzeit in Ennepetal wohnhafte Angeklagte damit trotzdem, was ihn anscheinend weniger belastet als der zu zahlende Betrag. Als Influencer habe er nicht viel verdient, hatte er in der Verhandlung behauptet. Deshalb habe er jetzt einen Lebensmittelladen eröffnet, müsse aber noch stark von seinem Onkel unterstützt werden.

Handschlag nach der Verhandlung

Insgesamt aber zeigt sich Giuseppe Sumrain am Ende der Verhandlung „sehr zufrieden“. Auch, weil Pocher seine Entschuldigung auf dem Weg nach draußen doch noch per Handschlag angenommen habe. „Alles gut“, glaubt Sumrain. „Sind Freunde jetzt.“