Düsseldorf/Bochum. Die ermäßigte Mehrwertsteuer für die Gastronomie läuft aus. So teuer wird es jetzt im Restaurant – und wer gibt auf?
Die Hoffnung in der Branche starb zuletzt, aber jetzt ist sie tot. Die Mehrwertsteuer für Speisen in Gaststätten wird zum Anfang des Jahres wieder von 7 auf 19 Prozent angehoben. Darauf haben sich SPD, Grüne und FDP verständigt. Der Bundesverband der Systemgastronomie e.V. befürchtet „katastrophale Auswirkungen auf die gesamte Gastronomie“. Und der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga warnt vor einer „absoluten Katastrophe“. Bei einer Steuererhöhung würden bundesweit weitere 12.000 Unternehmen ihr Geschäft aufgeben, sagt die Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. Allein in Nordrhein-Westfalen, schätzt der NRW-Dehoga-Präsident Patrick Rothkopf, könnte es bis zu 2500 Schließungen geben.
„Viele Gäste bedeuten nicht zwangsläufig viel Umsatz“
Wer in den vergangenen Wochen und Monaten auswärts essen gehen wollte, dürfte diese Sorgen auf den ersten Blick nicht nachvollziehen können. Ohne Reservierung lief da gar nichts und selbst bei frühzeitiger Anfrage lautete die Antwort oft: „Tut uns leid, nichts mehr frei.“ Wie passt das zusammen?
Man dürfe sich nicht täuschen lassen, erklärt Thorsten Hellwig, Sprecher des Dehoga in NRW. Oft sei es so voll, weil die meisten Betriebe ihre Öffnungszeiten verkürzt haben und manchmal nur noch vier Tage die Woche öffnen. „Wenn viele zu haben, ballt es sich bei denen, die geöffnet sind“, bestätigt Lukas Rüger, der in Bochum den „Livingroom“ und vier weitere Lokale betreibt.
Im Übrigen, gibt Hellwig zu bedenken „bedeuten viele Gäste nicht zwangsläufig auch viel Umsatz.“ Da werde beispielsweise auf die zweite Flasche Wein, den Espresso nach dem Essen oder den Nachtisch verzichtet – exakt die Dinge, die das meiste Geld bringen.
Gastronom aus Düsseldorf: „Die Erhöhung kommt viel zu früh“
„Die Mehrwertsteuererhöhung kommt viel zu früh“, sagt Giuseppe Saitta, CDU-Ratsherr aus Düsseldorf, der im Stadtteil Oberkassel mehrere Restaurants der gehobenen Klasse betreibt. „Ein oder zwei Jahre länger mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz hätten uns allen gut getan.“
Jetzt aber kommt alles auf einmal. „In meinen Betrieben haben sich allein die Energiekosten verdreifacht.“ Und die Transportkosten für die vielen Spezialitäten, die er aus Italien importiere, seien um 80 Prozent gestiegen. Von dem erhöhten Mindestlohn hat er da noch gar nicht gesprochen. „Und wenn Sie nur Mindestlohn zahlen, bekommen Sie oft gar kein Personal mehr.“
Damit nicht genug: Viele müssen jetzt die Kredite und Hilfen aus der Coronazeit zurückzahlen. Mancher Gastronom, fürchtet Saitta, „wird auf der Strecke bleiben.“ Am Ende könne es sein, dass die Insolvenzen den Staat teurer zu stehen kommen als die Beibehaltung des ermäßigten Steuersatzes. „Ich sehe eine große Gefahr, dass sich die Entscheidung rächt.“
Preise könnten um bis zu 15 Prozent steigen
Auf jeden Fall macht sie das Essen im Restaurant teurer. „Das müssen wir weitergeben“, sagt Saitta Ein paar Beispiele: Das Schnitzel mit Pommes und Salat für 19,90 müsste dann rechnerisch 22,13 Euro kosten. Die Spaghetti Diavolo beim Italiener, die heute für 11,50 angeboten werden, 12,79 Euro. Da Wirte ungern derlei krumme Summen in ihre Speisekarte schreiben, könnte der Schnitzelpreis bei 21,90 Euro landen, die Spaghetti werden womöglich um einen Euro auf 12,50 Euro verteuert. Der Schnitzelwirt würde in diesem Fall nur 17,7 der 19 Prozent Mehrwertsteuer auf die Gäste umlegen, der Pizzeria-Betreiber 16,3 Prozent.
Wie viel die Wirte am Ende genau weitergeben werden, ist offen. Saitta kennt Kollegen, die ihre Preise um bis zu 15 Prozent erhöhen wollen. Bei Rüger in Bochum soll die Steigerung weniger stark ausfallen. „Wir werden versuchen, günstiger einzukaufen, ohne dass die Qualität darunter leidet.“ Auch Saitta setzt auf Augenmaß. Selbst in der gehobenen Gastronomie, achte die Kundschaft auf die Preise. „Irgendwann ist mal Schluss.“
Ökonomen halten Entscheidung für richtig
Ökonomen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) halten die Entscheidung der Ampel dennoch für richtig. Die Senkung sei eine sehr teure Vergünstigung und sozial problematisch gewesen, weil sie - anders als von der Branche oft behauptet - besonders den Wohlhabenden zugute gekommen sei. Denn die Zahl der Restaurantbesuche steige mit dem Einkommen. Die Post-Pandemie-Zeit mute der Gastronomie wie anderen Branchen auch einen weiteren Strukturwandel zu, räumen die ZEW-Forscher ein. Das liefere aber keine Rechtfertigung für eine dauerhafte Subventionierung.
Ähnlich äußerte sich die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer. „Es ist einfach nicht gut zu vermitteln“, sagte die Wirtschaftsweise, „dass eine bestimmte Branche jetzt dauerhaft so stark unterstützt wird, indem man die Mehrwertsteuer absenkt.“