Ruhrgebiet. Überflutung, Schlamm, Gestank: Starkregen setzt immer häufiger ganze Wohnungen unter Wasser. Was zu beachten ist, damit die Versicherung zahlt.
Wasser im Keller, Schlamm im Souterrain: Viele betroffene Bürger in Essen, Gelsenkirchen, Castrop-Rauxel hat die Emschergenossenschaft nach den Unwettern des Sommers beraten – und immer wieder dasselbe gehört. „Nicht allen Bürgerinnen und Bürgern ist klar“, sagt Sprecher Ilias Abawi, „dass sie verantwortlich sind für ihre eigene Grundstücksentwässerung.“ Denn wer sein Haus nicht mit Rückstauklappen schützt, die das Wasser aus der Kanalisation zurückhalten, guckt bei seiner Versicherung meist in die Röhre.
Es war der Moment, in dem die Menschen nur noch rannten: Als Ruhr und Rinderbach in Kettwigs Keller kamen, sprudelte das Wasser aus den Toiletten, aus den Souterrain-Wohnungen klang ein Geräusch „wie am Meer“. So erinnern sich Anwohner an die Überschwemmungen vom Juli 2021. Damals war vielerorts passiert, woran Hausbesitzer häufig nicht denken: Die Wassermassen des heftigen, tagelangen Regens konnten nirgends mehr hin, die Kanäle waren voll – und also suchte es sich den Weg in die Keller. Genauso ist es auch in diesem Sommer in Essenpassiert, in Gelsenkirchen, in Castrop-Rauxel, wo die Unwetter im Juni und August ganze Straßenzüge unterspülten. Besonders Haushalte ohne Rückstauschutz, sagt Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, hätten das „bitter erlebt“.
„Zu viel Regen in kurzer Zeit, das kann kein Kanalnetz mehr aufnehmen“
Bei solchen Überlastungen des Kanalnetzes oder unkontrolliertem Oberflächenabfluss, verursacht durch „Katastrophenregen“, sprechen Experten von „urbanen Sturzfluten“: Heftige Gewitter, anhaltender Regen und Hochwasser, wie auch in diesem Sommer mehrfach vorgekommen, können die kommunale Kanalisation zum Überlaufen bringen. Was vor zwei Jahrzehnten vielleicht noch kein Thema war, wird durch den Klimawandel zum drängenden Problem, sagt Ilias Abawi: Die Regenmengen wachsen, immer häufiger kämpft auch das Ruhrgebiet gegen Starkregen. „Zu viel Regen in kurzer Zeit“, erklärt Ilias Abawi. „Das kann kein Kanalnetz mehr aufnehmen.“ Auch die Verbraucherzentrale bestätigt das: „Eine Kanalisation so zu dimensionieren, dass sie jeden Extremregen einwandfrei ableiten kann, ist kaum möglich.“
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Nicht nur das der Emschergenossenschaft, nicht nur das der Stadt; am Ende der Kette steht immer der Hausbesitzer. Wenn der Abflüsse unterhalb der Straße hat – etwa für eine Toilette oder Dusche im Souterrain, eine Waschmaschine im Keller – sollte er auch Rückstauklappen oder -verschlüsse haben, die verhindern, dass bei starken Niederschlägen das Abwasser aus dem Kanalnetz zurück in sein Haus drückt. Laut Verbraucherzentrale NRW ist in den meisten Gemeinden sogar in den Entwässerungs-Satzungen geregelt, dass Eigentümer sich gegen einen solchen Rückstau zu sichern haben. Weitere rechtliche Grundlagen liefern das Bundesgesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz), das Landeswassergesetz, die Landesbauordnung oder ein Regelwerk mit dem hübschen Namen „Selbstüberwachungsverordnung“ (SüwVKan NRW).
Wann ist Wasser eine Überschwemmung?
Gesetz oder nicht: Für alle Schäden, die durch Rückstau entstehen, haftet der Grundstückseigentümer selbst. Besteht eine Pflicht zum Schutz und hat der Hausbesitzer keine Rückstauklappen eingebaut, hat er auch keinen Anspruch auf Versicherungsleisten, das ist höchstrichterlich so entschieden. Auch die private Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung deckt solche Überschwemmungen nicht unbedingt automatisch ab. Das Rückstaurisiko muss in einer Elementarschadenversicherung extra abgesichert werden. Der Teufel lauert wie so oft im Kleingedruckten, also in den „Besonderen Bedingungen für die Versicherung weiterer Elementarschäden“. Dort ist auch geregelt, wann Wasser eine Überschwemmung ist: Starkregen, ausufernde Gewässer, Grundwasser? Rückstau steht häufig nicht dabei.
Bei Neubauten werden Rückstauklappen heute bereits meist mitgedacht. Bei Altbauten kann man nicht genutzte Abläufe verschließen – und überprüfen, ob es schon Rückstauverschlüsse gibt (die man anderfalls nachrüsten kann: Jedes Haus hat, meist im Keller, einen Revisionsschacht (oft eine Klappe im Boden), in dem der Anschluss an den Kanal liegt und solche Vorrichtungen möglicherweise bereits verbaut sind. Man erkennt sie unter anderem an einem Handhebel an der Oberseite, mit dem sie sich mechanisch bedienen lassen.
Klappen müssen frei bleiben von Windeln, Essensresten, Haaren
Wer bereits Rückstauverschlüsse hat, sollte sie zudem regelmäßig warten. Experten raten: bis zu zweimal im Jahr. Um im Schadensfall Ärger mit der Versicherung zu vermeiden, sollte das dokumentiert werden, empfiehlt die Verbraucherzentrale. Jeder kann aber auch selbst darauf achten, dass die Klappen frei bleiben und nicht von Feuchttüchern, Tampons, Slipeinlagen, Windeln, Essensresten, Haaren oder Putzlappen verstopft werden. Während längerer Abwesenheit sollten Bewohner sämtliche Rückstauklappen verriegeln und alle Fenster im Keller fest verschließen.
Grundsätzlich gilt: Was wertvoll ist, sollte man am besten gar nicht im Keller lagern. Gerade wichtige Unterlagen und Erinnerungsstücke sind bei Wassereinbruch meist unwiederbringlich zerstört. Experten empfehlen deshalb, alles, was am Herzen liegt, mindestens im Erdgeschoss, wenn nicht sogar in der ersten Etage zu lagern.
>>HIER GIBT ES BERATUNG:
Die Verbraucherzentrale hilft bei der Frage, wie sich Hausbesitzer vor Rückstau von Regenwasser schützen können: Verbrauchertelefon Abwasser: 0211 / 3809 300, montags und mittwochs 9 Uhr bis 13 Uhr, dienstags und donnerstags 13 Uhr 17 Uhr. Mail: Abwasser@verbraucherzentrale.nrw
Auch die Entwässerungsbetriebe der jeweiligen Städte beraten zu Fragen rund um das Thema Rückstau. Weitere Ansprechpartner können Sanitärinstallateure oder -fachbetriebe (z.B. für Heizung, Sanitär, Klima) sein. Vor Auftragsvergabe, rät die Verbraucherzentrale, sollte man immer mit dem städtischen Entwässerungsbetrieb Rücksprache halten und dort auch nachfragen, ob die Rückstausicherung an der richtigen Stelle geplant ist.