An Rhein und Ruhr. Das Dosenbier erlebt eine Renaissance, die Marktanteile steigen. Auch Traditionsmarken setzen auf die Dose. Rümpft ein Biersommelier die Nase?

Die Entscheidung in Essen fiel zu Jahresbeginn: Ja, auch die Privatbrauerei Stauder setzt wieder, nach Jahrzehnte langer Pause, auf eine Abfüllung ihres Bieres Pilsener Brauart in der Dose. „Ganz klar ausschlaggebend waren die Kundenwünsche“, hatte Brauereichef Thomas Stauder den Entschluss kommentiert. In Mönchengladbach steht „Bolten“, bekannt für Altbier in Flaschen mit Bügelverschluss, noch vor diesem Schritt. „Ja, wir schauen uns das an“, berichtet Geschäftsführer Michael Hollmann.

Selbst das „Pülleken“ von Veltins, ein helles Bier der Sauerlandbrauerei, taucht in diesen Tagen in Getränkemärkten in Dosenform auf, trotz der „Pulle“ im Namen. „Das Dosenbier erlebt eine Renaissance“, erklärt Michael Busemann. Kann der Experte, Sprecher des Verbands der Diplom Biersommeliers, da nur die Nase rümpfen?

Experte: Dosenbier hat prolliges Image abgelegt

„In manchen Augen gilt das Dosenbier vielleicht als prollig, dieses Image hat es aber meiner Meinung nach abgelegt“, führt Busemann an. „Am liebsten trinke ich ein frisch gezapftes Bier, das ist das Optimum“, betont er. „Danach folgen Dose und Flasche gleichermaßen.“ Berührungsängste habe er dabei überhaupt nicht. Denn die Dose verfüge aus sensorischer Sicht (so urteilt ein Sommelier) über Vorteile gegenüber der Glasflasche. „An das Bier kommen so weder UV-Licht noch Sauerstoff heran.“

In manchen Augen gilt das Dosenbier vielleicht als prollig, dieses Image hat es aber meiner Meinung nach abgelegt.
Michael Busemann - Sprecher des Verbands der Diplom Biersommeliers

Aus Sicht des Experten hätten auch Craftbier-Brauereien zur Wiederentdeckung der Dose beigetragen. „Zum einen sind Dosen einfacher zu transportieren, zum anderen ist es für kleine Brauereien ein verhältnismäßig großer Aufwand, sich am Mehrwegsystem zu beteiligen. Für Craftbier-Brauer ist zudem der Export ein Thema, da sind Dosen natürlich einfacher händelbar.“

Dosen seien auch aus Vermarktungssicht interessant. „Hier können die Hersteller kreativer werden bei der Gestaltung, als es mit einer Flasche möglich wäre.“ Die Designoptionen seien fast grenzenlos.

Pfand hatte die Dose nahezu vom Markt verschwinden lassen

„Nach der Einführung des Einwegpfandes in Deutschland waren Getränke in Dosen schlagartig nahezu vom Markt verschwunden“, wirft Nina Göllinger, Sprecherin des Deutschen Brauer-Bundes, einen Blick zurück. Seit dem 1. Januar 2003 wird Pfand für Getränkedosen erhoben. „In den letzten Jahren jedoch konnten Dosen den Marktanteil schrittweise erhöhen, wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau und nicht zulasten der Mehrweg-Glasflaschen, sondern der PET/Plastik-Flaschen.“

Pils weiterhin beliebt, Helles wird populärer

Biersommelier Michael Busemann hat den deutschen Biermarkt genau im Blick. „Mit knapp um die 50 Prozent ist Pils weiterhin die beliebteste Biersorte.“ In den letzten Jahren habe aber auch das Helle an Popularität gewonnen. „Auch Brauereien in NRW, etwa Veltins oder Krombacher, haben reagiert und produzieren Helles. Selbst die Hamburger Astra-Brauerei hat nun ein Helles im Portfolio.“

Das Kölsch erfreue sich inzwischen ebenfalls einiger Beliebtheit, „auch Discounter nehmen Markenprodukte in ihr Sortiment auf“. Das Alt verliere hingegen seit Jahren an Popularität. „Ich kann mich noch an andere Zeiten erinnern, da war das Alt sehr gefragt. Aber irgendwie haben die Brauereien da gefühlt etwas geschlafen. Ich lebe in Köln, habe aber auch dem Alt gegenüber keine Berührungsängste.“

Generell sei der Biermarkt in Deutschland etwas rückläufig, so Busemann. Das Statistische Bundesamt (Destatis) stützt diese Einschätzung. Der Bierabsatz ist im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 4,5 Prozent oder 394,2 Millionen Liter gesunken. Die in Deutschland ansässigen Brauereien und Bierlager haben nach Angaben der Statistiker insgesamt rund 8,4 Milliarden Liter Bier abgesetzt. „Die EM könnte vielleicht zu einer leichten Erholung beitragen“, hofft Michael Busemann.

Eigene Daten zu den Marktanteilen der einzelnen Biergebinde erhebe der Bund nicht, berichtet die Sprecherin. Sie verweist aber auf eine Erhebung des Marktforschungsinstituts Nielsen. Demnach lag das Dosenbier 2023 im Lebensmitteleinzelhandel und in Getränkeabholmärkten bei einem Marktanteil von circa zehn Prozent (Glas-Mehrweg etwa 76 Prozent). Die Dose mit 0,5 Litern Fassungsvermögen habe aber knapp 4,5 Prozent Marktanteil am Absatz im Jahr 2023 im Vergleich zu 2022 hinzugewonnen.

Branche geht von weiter steigender Nachfrage nach Dosenbier aus

Göllinger sieht die Ursache hierfür in sich wandelnden Konsumtrends. „Gerade junge und mobile Verbraucherinnen und Verbraucher fragen vermehrt Dosen nach.“ Hinzu komme die hohe Zahl an Single-Haushalten und die Nachfrage auf Auslandsmärkten. Für die Brauereien Stauder und Bolten sind diese Punkte mit ausschlaggebend. „An Kiosken oder an Tankstellen sind wir ohne Dose nicht vertreten. Dort verkaufen sich Flaschen nicht so gut“, so Bolten-Chef Michael Hollmann.

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„Wir gehen davon aus, dass sich der Marktanteil der Bierdose in den nächsten Jahren weiter leicht erhöhen wird, da mittlerweile immer mehr Unternehmen des Handels und gerade auch die Discounter diese in ihrem Angebot listen und immer mehr Verbraucher die Dose nachfragen“, wirft Nina Göllinger einen Blick in die Zukunft.

Die Zukunft der Dose? Politik kann Rahmenbedingungen verändern

Abzuwarten bleibe aber, ob die Bundespolitik oder die Europäische Union Einweggebinde in den kommenden Jahren schärfer regulieren werden. „Bundesumweltministerin Lemke (Grüne) hat bereits 2023 Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt, das Mehrweg stärken und Einweg reduzieren soll“, führt Göllinger an.

„Die deutsche Brauwirtschaft nutzt stärker als alle anderen Getränkebranchen Mehrwegflaschen und ist die einzige Getränkebranche, die mit einem Mehrweganteil von im Schnitt knapp 80 Prozent die Vorgaben des Verpackungsgesetzes erfüllt“, betont die Brauer-Bund-Sprecherin.

Kritik von Umweltschützern: Dem BUND schmeckt die Dose nicht

In Essen schmeckte der dortigen Kreisgruppe des „Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland“ (BUND) die Unternehmensentscheidung von Stauder gar nicht, der Dose neues Leben einzuhauchen. Die Umweltschützer stören sich daran, dass Dosen als Einwegprodukt bestenfalls recycelt, aber eben im Unterschied zur Flasche nicht wiederverwendet würden. Der BUND empörte sich zudem darüber, dass die Dosen nicht vor Ort in Essen abgefüllt werden, sondern fast 500 Kilometer von der heimischen Brauerei entfernt in Oberfranken.

Stauder gibt es seit einigen Monaten wieder in Dosen zu kaufen.
Stauder gibt es seit einigen Monaten wieder in Dosen zu kaufen. © Stauder | Stauder

Die Erwiderung aus dem Hause Stauder folgte prompt. „Für uns als mittelständisches Unternehmen gab es keine andere Möglichkeit als die befreundete Brauerei“, erklärte Axel Stauder. „Wir wollen unser Flachenbier keinesfalls ersetzten.“ Der Anreiz zum Recyceln sei zudem sehr hoch.

Lanuv: Dose braucht bis zu 500 Jahre, bis sie verrottet ist

Bezüglich der Ökobilanz von Getränkeverpackungen verweist Birgit Kaiser de Garcia, Sprecherin des „Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW“ (kurz Lanuv), auf Erkenntnisse des Umweltbundesamts. „Bereits in den ersten Untersuchungen, die 2002 veröffentlicht wurden, wurde festgestellt, dass bei Bierverpackungen die Mehrwegflasche den drei Einweg-Verpackungen – der Weißblechdose, der Aluminiumdose und der Einwegflasche – deutlich überlegen war.“

Berücksichtigt wurden dabei auch die Energieverbrauche für die Herstellung und bei Glasflaschen für die Reinigung vor der Wiederbefüllung. „Nach unseren Recherchen braucht eine Dose dann bis zu 500 Jahre, bis sie verrottet ist.“

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Die Lanuv-Sprecherin gibt aber zu bedenken, dass aktuelle Untersuchungen unter heutigen Bedingungen weder beim Umweltbundesamt noch beim Lanuv vorliegen würden. Dafür aber an anderer Stelle. „Nach Bewertungen von Ökotest ist die Getränkedose die Getränkeverpackung mit der schlechtesten Umweltbilanz, auch deshalb, weil sie trotz Pfand leider noch immer viel zu oft einfach weggeworfen wird“, merkt Birgit Kaiser de Garcia jedoch an.

Zumal die Umweltbilanz vom Transportweg abhängig sei. „Da die Transportdistanz wesentlich in die Betrachtung eingeht, ist der Blick auf die Verpackung weniger zielführend als darauf, regional zu konsumieren.“ Am besten, da dürfte auch Biersommelier Busemann zustimmen, natürlich frisch vom Zapfhahn.