Berlin. Kinder lernen besser mithilfe moderner Technik, sagt eine Bildungsforscherin – wenn der Mix stimmt. Ein Vorzeigeland hat es übertrieben.

Medienboard statt Kreidetafel, Tablets statt Hefter, interaktive Aufgaben statt Frontalunterricht: Deutlich digitaler als bisher sollen Schulstunden künftig aussehen, wenn es nach Politik, vielen Bildungsexperten, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern geht. Die Wirklichkeit in den Klassenräumen sieht dagegen vielerorts noch mau aus. Wo drückt beim Digitalunterricht an deutschen Schulen noch der Schuh? Wie kann er sinnvoll eingesetzt für mehr Lerntempo und Motivation sorgen? Wo können sich Schulleitungen und Lehrkräfte etwas abgucken?

Schulen: Digitalunterricht noch Flickenteppich

„Noch immer fehlt es an vielen Schulen an einer digitalen Grundausstattung“, sagt Katharina Scheiter im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Professorin für Digitale Bildung an der Universität Potsdam forscht seit über 20 Jahren zum Lehren und Lernen mit digitalen Medien. Sie kennt die digitalen Baustellen im deutschen Bildungswesen, hat zudem Vorstöße anderer Länder im Blick.

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Woran es vor allem mangele, sei ein „flächendeckendes Angebot“ von digitaler Infrastruktur. Manche Schulen hierzulande seien technisch gut ausgestattet, samt Tablets und Laptops für ihre Klassen, schnellem Internet und einer Auswahl an digitaler Lernsoftware – „in der Nachbarschule zum Beispiel kann dagegen all das fehlen“, sagt Scheiter.

Dazu geselle sich, so die Bildungsforscherin, Nachholbedarf bei der digitalen Kompetenz vieler Schulleitungen und Lehrkräfte. „Uns fehlen an vielen Stellen die Erfahrung und Ideen, wie man digitale Bildung sinnvoll im Unterricht umsetzen kann.“ Kurz: Mit dem Verteilen von iPads im Klassenraum ist es nicht getan. Lehrkräfte müssten daher besser als bisher aus- und fortgebildet werden. Um Kindern den Umgang mit den modernen Werkzeugen zu vermitteln, aber auch, um Geräte und Software für das fachliche Lernen optimal einzusetzen. Die Expertin beobachtet vielerorts noch „ein Ausprobieren unterschiedlicher Möglichkeiten ohne klare didaktische Orientierung“.

Pilotprojekt Digitale Schule der Zukunft
Streitthema Digitalunterricht: Kinder profitieren am meisten von einem Mix aus digitalen und analogen Lernangeboten. © picture alliance / dpa | Matthias Balk

Scheiter verweist auf den sogenannten „INSM-Bildungsmonitor“ der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Dieser offenbart deutliche Unterschiede beim digitalen Lernen zwischen den Bundesländern. „In Brandenburg beispielsweise ist die Ausstattung immer noch sehr schlecht“, sagt Scheiter. Die Stadtstaaten wie Hamburg dagegen seien im Vergleich Vorreiter beim Digital-Unterricht und hätten kaum mehr Nachholbedarf, Bayern und Baden-Württemberg etwa seien ebenfalls gut aufgestellt. Doch auch in einem gut ausgestatteten Bundesland könne es passieren, dass man als Lehrerin oder Lehrer an einer schlecht ausgestatteten Schule lande, betont Scheiter. Die Ausstattung liegt in der Hand der Kommunen als Schulträger.

Digital-Unterricht: iPads austeilen genügt nicht

Was aber macht guten Digital-Unterricht aus? Einfach die analogen Schulbücher eins zu eins für den Tabletbildschirm zu kopieren – ohne Zusatzfunktionen –, das reiche nicht aus, betont die Bildungsforscherin. Die Frage sei: Welchen Mehrwert kann das digitale Medium fürs Lernen bringen? Den Lückentext nur am Rechner statt auf Papier auszufüllen, nütze wenig. „Bekomme ich vom System aber sofort Verbesserungsvorschläge und weiterführende Erklärungen, habe ich einen Lernvorteil.“

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Wichtig bleibe der richtige Mix aus digitalem und analogem Lernen, erklärt Scheiter. So habe die schwedische „Karolinska-Studie“ der renommierten wissenschaftlichen Akademie Karolinska gezeigt, dass dortige Schulen zunächst den gesamten Unterricht digitalisiert hätten – und inzwischen etwas zurückruderten. „Die Kinder haben nicht mehr richtig lesen gelernt, weil sie digitale Schulbücher genutzt haben, die auch vorlesen konnten“, sagt Scheiter. Dennoch seien die skandinavischen Länder sowie Estland Vorreiter bei digitalen Schulen.

Als Idealbild verwendet die Potsdamer Forscherin gern ein Orchester, in dem digitale und analoge Lernwerkzeuge miteinander harmonieren – und die Lehrkraft als „Dirigent“ agiert. Beispiel Chemie- und Physikunterricht: Echte Experimente mit Anfassen fördern nachweislich das Lernen. Am Tablet aber lässt sich anschließend virtuell simulieren: Was würde passieren, wenn sich ein Mischungsverhältnis oder die Temperatur ändert? Für den Klassenraum zu gefährlich. Belohnungsmechanismen aus digitalen Spielen, etwa Punkte und Trophäen für erreichte Lernziele, könnten zudem die Motivation steigern.

Katharina Scheiter, Universität Potsdam
Prof. Dr. Katharina Scheiter forscht an der Universität Potsdam zu digitaler Bildung und sieht in Deutschland noch Nachholbedarf. © Universität Potsdam | Tobias Hopfgarten

Erste digitale Anwendungen ermöglichen es Lehrkräften bereits, die Stärken und Schwächen Einzelner im jeweiligen Fach abzulesen. So lassen sich Aufgaben und Erklärungen personalisiert anpassen. „Hier sind wir aber noch in den Anfängen bei der Verfügbarkeit“, schränkt Scheiter ein.

In der Pflicht sieht die Expertin für digitales Lernen auch die Eltern. Sie sollten ihren Nachwuchs zu Hause an Geräte und eine kritische Mediennutzung heranführen, Stichwort Fake News. Allerdings fehle es laut Forschung hier in vielen Haushalten an Medienkompetenz.

„Diggies“ und Co. greifen Lehrern unter die Arme

Spätestens seit ChatGPT ein hitziges Thema unter Lehrern und Eltern: künstliche Intelligenz (KI). Wird mithilfe von KI künftig alles kinderleicht bei Hausaufgaben und Klausuren? Nein, ist Katharina Scheiter überzeugt. „Sinnvoll eingesetzt haben Schülerinnen und Schüler immer noch die Aufgabe selber einzuschätzen: Was hat mir die KI geliefert, kann ich dem vertrauen, welche Informationen übernehme ich, was muss ich mit anderen Quellen abgleichen?“ Solche Aufgaben seien mitunter anspruchsvoller als bisher, sagt Scheiter. Sie müssten aber gut für den Unterricht vorbereitet werden.

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Was kann Lehrerinnen und Lehrer dabei unterstützen, digitalen Unterricht sinnvoll zu gestalten und vorzubereiten? Zumal sich Begeisterung und Vorwissen, was digitale Themen angeht, stark unterscheiden. Diesen Bedarf haben eine Reihe von Anbietern erkannt und versprechen Abhilfe, darunter Übungs-Apps wie SimpleClub oder StudySmarter. Vorreiter sein will auch die Plattform Diggies der Berliner Agentur Raufeld, die wie diese Zeitung zur Funke Mediengruppe gehört und Lösungen für die Unterrichtsgestaltung anbietet. Lehrkräfte könnten mit den Browser-basierten Werkzeugen „sofort loslegen, ohne selbst Experten für Digitalisierung oder KI zu sein“, sagt Sandra Rexhausen, die als Leitung Strategie und Marketing schon den Start im Frühjahr 2023 begleitete.

Mehr als 400 Unterrichtseinheiten inklusive interaktiver Aufgaben, Bildern, Illustrationen und Videos sind schon abrufbar. Lehrer können nach Fach und Klassenstufe filtern. Ausgerichtet sind die „Diggies“ auf die Sekundarstufe I der Klassen fünf bis zehn. Im Fokus stehen zentrale Fächer wie Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften, aber auch Medienkompetenz. „Entwickelt komplett am Rahmenlehrplan entlang“, erklärt Rexhausen. Alle Inhalte lassen sich vorn am Medienboard oder auf Tablets darstellen. Abgedeckt sind der Frontalunterricht wie auch das Selbstlernen.

Für die digitalen Lerninhalte sorgt eine Redaktion aus Didaktikern und früheren Lehrkräften. Bis August steht das Angebot Lehrern und Lehrerinnen zunächst kostenlos zur Verfügung. „Mit den ‚Diggies‘ wollen wir vor allem Entlastung für die Lehrkräfte schaffen“, sagt Sandra Rexhausen. „Damit sie ihre Arbeit so machen können, dass sie Zeit für das Eigentliche haben – für die Kinder und das soziale Miteinander.“

In eigener Sache

  • Diggies für Lehrkräfte lässt innerhalb der Testphase bis Ende August 2024 noch kostenlos nutzen
  • Hier geht es zur Registrierung auf diggies.de
  • Die Diggies jetzt auch als Podcast. Jeden Dienstag auf allen Podcast-Plattformen: „Hey diggies! So geht Lernen heute.“