Berlin. Todmüde und dennoch Angst vor dem Zubettgehen? Ein Schlaf-Coach erklärt, was Sie gegen lästige „Bedtime-Procrastination“ tun können.
Noch eben den nächsten Teil der Serie gucken, noch ein bisschen zocken am PC. Und schon wieder ist es mitten in der Nacht. Immer mehr Menschen wollen einfach nicht ins Bett. Das Phänomen des ewigen Aufschiebens hat einen Namen: „Bedtime-Procrastination“. Schlaf-Ccoach Chris Surel („Die Tiefschlafformel“) erklärt, was dahintersteckt.
Es ist 22 Uhr. Die Augen fallen einem schon im Gehen zu. Eigentlich sollte man genau jetzt ins Bett gehen. Doch für manche ist das geradezu ein Tabu. Bloß nicht ins Bett, oder um es mit dem Begriff von „Bedtime-Procrastination“ zu sagen. Was steckt dahinter?
Chris Surel: Dieses Aufschieben der Zubettgehzeit hat viele Ursachen. Und das hat auch mit dem Zirkandianen Rhythmus zu tun. Er ist der Dirigent des Körpers und der Zellen, er gibt den Ton zum Schlaf- Wachryhthmus vor. Sozusagen die innere Körperuhr.
Und was hat das mit der Unlust zu tun, ins Bett zu gehen?
Surel: Dahinter steht, dass es Dinge in unserem Leben gibt, die diesen Rhythmus unserer Körperuhr stören. Wir wissen im Grunde, dass wir abends irgendwann ins Bett sollten. Das Problem: Es ist ja gar nicht dunkel. Die vielen Lichtquellen gaukeln der Körperuhr aber vor, dass es Tag ist, das ist schon mal die erste Irritation.
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Probleme beim Einschlafen: Dieses Licht sollen Sie vermeiden
Wir sagen dem Körper also per Lichtschalter, „Hallo, Körper, bleib mal schön wach“ Ist denn der Organismus schon durch ein bisschen zu viel Licht vom Kurs des Schlafens abzubringen?
Surel: O ja, es gibt spezielle Zellen in den Augen, die erkennen sogar den Unterschied zwischen aufgehender und untergehender Sonne. Sie sind extrem sensibel und senden sofort Signale an die Hirnregion, Hormone wie Cortisol auszuschütten. Allerdings brauchen wir für den Schlaf nicht dieses Wachhormon, sondern ein anderes Hormon, nämlich Melatonin. Wenn die Körperuhr gestört wird, funktioniert dieser Hormonkreislauf nicht mehr richtig. Und das wirkt sich aus, führt zu mangelndem Schlaf.
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Also ist das Licht eine Ursache für das Verdrängen der Nacht. Welches Licht ist besonders problematisch für die Gesundheit?
Surel: Vor allem blaues Licht, also zum Beispiel vom Handy oder Tablet. Aber auch insgesamt besonders helles Licht. Auch das Licht vom Badezimmerspiegel zum Beispiel, wenn man sich spätabends noch die Zähne putzt.
Schlaf-Coach erklärt, warum wir nicht ins Bett gehen wollen
Können denn noch andere Dinge dazu führen, dass man keine Lust hat, ins Bett zu gehen und trotz Gähnattacken auf dem Sofa hocken bleibt?
Surel: Ja, auf jeden Fall. Wenn Menschen das Gefühl haben, den ganzen Tag funktionieren zu müssen, dann entsteht bei vielen das Bedürfnis, länger aufzubleiben, um sich sozusagen zu belohnen.
Aha, also den Feierabend bis in die Puppen ziehen, egal, was der Körper davon hält?
Surel: Wenn man abends erst um 21 Uhr mit Kochen fertig ist, dann will man ja nicht schon um 22 Uhr ins Bett gehen. Dann schiebt man das vor sich her, weil man endlich mal ein bisschen Freizeit genießen will. Abseits aller Verpflichtungen. Obwohl man genau weiß, dass man am nächsten Tag unausgeschlafen ist. Ich habe Klienten, die gucken dann bis ein, zwei Uhr nachts noch Youtube-Videos, obwohl sie wissen, was dann morgens mit ihnen los ist. Das Gefühl der Freiheit gilt sozusagen als „Sekundärvorteil“ bei eigentlichem „Primärnachteil“, nämlich dem Schlafdefizit.
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Schlaf: Darf das Handy mit ins Schlafzimmer?
Viele wollen sicher auch nicht ins Bett, weil sie Angst davor haben, sowieso nicht einschlafen zu können.
Surel: Ganz genau. Das ist dann das Typische. Sie wissen genau: Lege ich mich hin, kommt es wieder zum Gedankenkarussell. Wenn zum ersten Mal Ruhe um uns herum herrscht, fallen einem all die nicht erledigten To Dos ein. Nicht beantwortete E-Mails, und all so ein Zeugs. Da ist an Schlaf nicht zu denken.
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Was kann man denn tun, um doch noch mal die Kurve zu kriegen und hoffen, dass der Schlaf über einen kommt?
Surel: Es ist immer gut, all die Dinge auszuräumen, die uns vom Schlaf abhalten. Also das Licht dimmen. Und für warmes Licht sorgen. Lieber Lichtleisten am Boden und nicht Licht, das von oben auf uns scheint. Und dann eben auch beim Zähneputzen das Licht am Badezimmerschrank nicht einschalten, es reicht vielleicht das Licht im Flur. Auch wer nachts zur Toilette muss: besser keine direkte Lichtquelle einschalten.
Muss das Handy raus aus dem Schlafzimmer?
Surel: Nicht unbedingt. Ich empfehle meinen Klienten auch Blaulichtfilterbrillen. Irgendetwas zu verbieten, halte ich nicht für sinnvoll. Der Mensch ist ja so gestrickt, dass er nichts verändern will. Deshalb sollte Veränderung minimal erfolgen. Kommt Disziplin dazu, ist es oft schon zum Scheitern verurteilt. Mit kleinen Schritten lässt sich langfristig viel erreichen.