Noch nie hat die katholische Kirche innerhalb eines Jahres so viele Mitglieder verloren. Das sollte die Kirchen zum Umdenken zwingen.

Der Trend ist nicht neu, doch nun beschleunigt er sich dramatisch: Noch nie hat die katholische Kirche in Deutschland innerhalb eines Jahres so viele Mitglieder verloren wie 2022. Mehr als eine halbe Millionen Katholiken kehrten ihr in nur zwölf Monaten den Rücken - ein beispielloser Substanzverlust.

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Setzt sich die Entwicklung fort, schrumpft die katholische Kirche pro Jahr in der Größenordnung eines mittelgroßen Bistums. Noch gibt es in Deutschland insgesamt 27 Diözesen, von denen allerdings zehn teils deutlich weniger als einer halbe Million Mitglieder haben. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis es zu drastischen Eingriffen in die Kirchenlandschaft kommen wird.

Über mögliche Gründe für die seit Jahren wachsende Austrittswelle ist viel diskutiert worden. Besonders die katholische Kirche darf sich angesichts der Missbrauchsskandale in ihren Reihen nicht über die überdeutliche Abstimmung mit den Füßen wundern. Auf klarem Schrumpfkurs steuert jedoch auch die Evangelische Kirche, wie etwa die ebenfalls sprunghaft angestiegenen Austrittszahlen allein in den beiden NRW-Landeskirche Westfalen und Rheinland belegen.

Immer weniger Menschen scheinen zudem bereit, sich angesichts der schwindenden Bindungskraft traditioneller Institutionen und der erkennbar rückläufigen Relevanz kirchlicher Themen in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft die offizielle Glaubenszugehörigkeit durch eine Zwangsabgabe erkaufen zu müssen. Die weltweit einzigartige Praxis des Kirchensteuer-Abzugs durchs Finanzamt - sie sollte schleunigst auf den Prüfstand und durch alternative Modelle ersetzt werden. Sonst wird es eines Tages niemanden mehr geben, der Kirchensteuer zahlt.