Düsseldorf. Zwischen Flecktarn und Ferienfliegern: Am Flughafen Weeze wird das Herzstück einer NATO-Wunderwaffe gebaut. Schneller als gedacht.
Die blauen Wegweiser-Fahnen von „Rheinmetall“ zum feierlichen Spatenstich stehen am Dienstagmorgen ausgerechnet in Sichtweite des „Royal Air Force Museum“ am Flughafen Weeze. Zahlreiche Exponate erzählen dort von der Zeit der britischen Luftwaffe am Niederrhein, die 1945 als Besatzung begann und 1999 als Sicherheitsgarantie endete. Am selben Standort wird nun ein neues Kapitel Militärgeschichte aufgeschlagen.
Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall baut gemeinsam mit den US-Partnern Northrop Grumman und Lockheed Martin in direkter Nachbarschaft zu Ryanair-Zivilmaschinen eine gewaltige Kampfjet-Fabrik. Auf 60.000 Quadratmetern sollen bereits ab 2026 die ersten Rumpfmittelteile für den Tarnkappenbomber F-35A Lightning II gebaut und ausgeliefert werden. Rheinmetall investiert 100 Millionen Euro, das Gesamtinvestment liegt bei 200 Millionen Euro. 400 Arbeitsplätze entstehen in der unmittelbaren Produktion, weitere 1500 sollen es in der Zulieferindustrie sein.
Luftwaffe hat selbst auch schon 35 Kampfjets bestellt
„Es wird eine der modernsten Fertigungen, wenn nicht die modernste Fertigung in Deutschland sein – zumindest im Bereich der Luftfahrttechnik“, sagte Rheinmetall-Vorstandschef Armin Papperger. In Weeze entstehe in deutsch-amerikanischer Kooperation „ein neuer Nukleus der Luft- und Raumfahrttechnologie“. Generalleutnant Ingo Gerhartz, der Inspekteur der Luftwaffe, schwärmte von den „einzigartigen Fähigkeiten dieses Waffensystems“.
Es ist die erste greifbare Folge der „Zeitenwende“, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Ausbruch des Ukraine-Krieges beschworen hat. In Weeze, unmittelbar an der niederländischen Grenze, werden in den kommenden Jahren Teile für mindestens 400 F35-Kampfjets gefertigt, von denen Deutschland zunächst 35 im Wert von 8,3 Milliarden Euro bestellt hat. Der Rest geht an die NATO-Partner in Europa und Nordamerika.
Vizeadmiral Carsten Stawitzki, der bei der Bundeswehr für die Ausrüstung zuständig ist, sprach von einem „einzigartigen Investment“ in die Sicherheit des Landes: „Wenn wir die Zukunft gestalten wollen, müssen wir erstmal die Gegenwart gewinnen – und wir haben noch nicht gewonnen.“
2027 werden erste Maschinen in der Eifel stationiert
Bei der Entwicklung des Wunderflugzeugs, das für gegnerischen Radar nur schwer zu erkennen ist und auch für den Transport von Atombomben zertifiziert wird, stand die Bundeswehr noch abseits. Lange ressortierte Waffentechnologie in Deutschland unter dem Schmuddelbegriff „Aufrüstung“. So ist es für ein deutsches Unternehmen wie Rheinmetall vor allem ein Prestigeerfolg, jetzt von den Amerikanern als Partner bei der Produktion berücksichtigt zu werden.
Ab 2026 werden erste Bundeswehr-Piloten in den USA auf dem Kampfjet trainiert, ab 2027 die ersten eigenen Maschinen in der Eifel stationiert. Das Rennen um den Produktionsstandort machte NRW, obwohl auch andere Bundesländer Interesse gezeigt hatten. Man habe das Projekt in Rekordzeit aufgesetzt, lobte Rheinmetall-Chef Papperger. „Gerade einmal sechs Monate sind vom Zeitpunkt der ersten Gespräche bis zum heutigen Spatenstich vergangen.“
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sieht darin auch „eine mentale Zeitenwende“. Ein feierliches Zeremoniell zum Baustart einer Fabrik für Kriegsgerät sei so wenig selbstverständlich wie die schnelle Genehmigung der lokalen Behörden: „Man hätte sich auch vorstellen können vor gar nicht langer Zeit, dass eine Region sagt: Och nö, sowas wollen wir hier gar nicht haben.“
Wüst sagt: „Wer Demokratien entwaffnet, macht Recht und Freiheit schutzlos“
Fast anderthalb Jahre nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hätten Politik und Gesellschaft jedoch verinnerlicht, dass ohne demokratische Wehrhaftigkeit alles nichts ist: „Wir werden getestet, ob wir willens und ob wir in der Lage sind, diese Werte nicht nur in Sonntagsreden zu beschwören, sondern dafür auch im wahrsten Sinne des Wortes in der Lage sind, unsere Art zu leben zu verteidigen“, sagte Wüst und brachte es auf die griffige Formel: „Wer Demokratien entwaffnet, macht Recht und Freiheit schutzlos.“
Sogar seine Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne), politisch sozialisiert mit unbedingtem Pazifismus, griff in Weeze zum Spaten. Es sei in diesen Zeiten „vielleicht ein gutes Signal“, sagte sie, dass gerade eine grüne Ministerin ausdrücklich Dankeschön sage für eine Investitionsentscheidung für die Rüstungsindustrie in Nordrhein-Westfalen. Neubaur konnte sich wohl vor allem hinter einem Satz von Wüst versammeln, der dieses Gefühlschaos zwischen Flecktarn und Ferienfliegern am besten benannte: Es gehe darum, so der Ministerpräsident, „mit Hochtechnologie-Kompetenz ein Produkt in die Welt zu bringen, das hoffentlich nie in den Kriegseinsatz gehen wird und so stark ist, dass es abschreckt“.