Düsseldorf. Seit Jahren werden am Niederrhein Nutztierrisse beklagt. Jetzt gibt es offenbar einen Weg, den strengen Wolfsschutz zu umgehen.
In Nordrhein-Westfalen soll erstmals seit Jahrzehnten wieder ein Wolf zum Abschuss freigegeben werden. Der für das Wolfsschutzgebiet Schermbeck zuständige Kreis Wesel werde in Kürze eine entsprechende Allgemeinverfügung erlassen, um „Problemwölfin Gloria“ zu entnehmen, kündigte Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) am Mittwoch im Fachausschuss des Landtags an. Damit zieht die Landesregierung die Konsequenzen aus zahlreichen Nutztierrissen am Niederrhein in den vergangenen Wochen.
Genetisch konnte der als „Gloria“ bekannt gewordenen Wölfin mit der Kennung „GE954f“ zuletzt die Tötung von mehreren Tieren nachgewiesen werden. Seit Jahren fordern Landwirte, die um ihr Vieh fürchten, ihre Entnahme. Ein strenger Artenschutz lässt einen Abschuss aber nur bestimmten Bedingungen zu. Jägern drohen im Zweifel hohe Strafen. Krischer sieht die Voraussetzungen der Wolfsverordnung erst jetzt als gegeben an.
Problemwölfin Gloria kann inzwischen sogar 1,20 Meter-Zäune überspringen
Sorgen bereitete den Experten die Tatsache, dass „Gloria“ inzwischen selbst Weidezäune von 1,20 Meter überwand. Normalerweise scheuen die Tiere einen Sprung ins Ungewisse. "Gloria" wurde offenbar zu klug. Es stand zu befürchten, dass es sich um Lernverhalten handelt, das an das gesamte am Niederrhein lebende Rudel weitergegeben werden könnte. Damit musste mit einem noch erheblicheren wirtschaftlichen Schaden für die Landwirte gerechnet werden.
„Wir begrüßen die Entscheidung des Umweltministers, dass er auf unseren Druck hin Gloria endlich entnehmen will. Doch die Entscheidung kommt viel zu spät“, sagte FDP-Umweltpolitiker Dietmar Brockes. Schon nach dem zuletzt veröffentlichten Wolfsgutachten habe die Wölfin spätestens im September zum Abschuss freigegeben werden müssen, kritisierte Brockes. Damit hätten nicht noch neun weitere Tiere sterben müssen.
Abschussgenehmigung des Kreises Wesel wird wohl beklagt
Der Kreis Wesel bewegt sich nun artenschutzrechtlich auf dünnem Eis. Die Behörde muss damit rechnen, dass ihre Abschussgenehmigung umgehend beklagt wird. Vor zwei Jahren war bereits ein Schäfer mit einem Vorstoß zur Tötung von „Gloria“ vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gescheitert. Tierschützer fordern höhere Weidezäune und mildere Maßnahmen anstelle der Wolfs-Tötung.
Die Entnahme selbst wird wohl Experten anvertraut, die Rudelführerin „Gloria“ zielgenau ausmachen können. Wie sich die Tötung auf das einzige in NRW lebende Rudel auswirkt, ist offenbar schwer abzuschätzen. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), selbst passionierter Jäger, stellte am Mittwoch in einem Interview mit dem landwirtschaftlichen „Wochenblatt“ klar, dass es innerhalb seiner schwarz-grünen Koalition „keinen Dissens“ über den Umgang gebe: „Wir sind einig, dass wir alle rechtlichen Spielräume beim Wolf ausschöpfen wollen.“ Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) fordert schon länger ein „flexibles Wolfsmanagement“ mit der Maßgabe: „Wenn es zu Gefahrensituationen kommt, muss eine Abschussgenehmigung erteilt werden.“