Essen. Asylantrag abgelehnt, trotzdem neue Zähne? Zahnärzte widersprechen CDU-Chef Merz, Ministerin Neubaur „fassungslos“. Das sind die echten Regeln.

Zahnärzte wehren sich gegen den Eindruck, dass sie abgelehnte Asylbewerbende bevorzugt behandeln und mit neuen Zähnen ausstatten. „Es ist bestimmt nicht so, dass zum Beispiel in meiner Praxis Kassenpatienten wegen der Behandlung von Asylbewerbenden keine Termine bekommen“, sagt Ralf Hausweiler, Zahnarzt aus Düsseldorf und Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein. In seiner Praxis mit vier behandelnden Ärzten sei es heute jedenfalls noch kein einziger gewesen. Es gebe bestimmt Praxen, in denen das anders ist. „Aber dass Menschen bevorzugt behandelt werden, ist mir nicht bekannt.“

CDU-Chef Friedrich Merz hatte gegenüber dem Fernsehsender Welt behauptet, in Deutschland gebe es 300.000 abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die nicht ausreisen, aber die „vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen“. Konkret sagte der CDU-Parteichef: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“

Behandlung nur bei akuten Schmerzen

Hausweiler tritt diesem Eindruck entgegen: Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolge nach den Regeln des Asylbewerberleistungsgesetzes und damit „soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist“, sagt der Kammerchef. Dass Patientinnen und Patienten auf Termine warten müssen, habe vielmehr auch mit Mittelkürzungen zu tun, die auf Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zurückgingen.

Laut Asylbewerberleistungsgesetz werden Asylbewerber und Asylbewerberinnen lediglich bei akuten Erkrankungen und Schmerzen behandelt. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer, betont, die Rechtslage sei damit geordnet. „Einfach schöne Zähne gibt es also nicht eben mal“, so Benz.

Laut Asylbewerberleistungsgesetz haben auch geduldete Migrantinnen und Migranten zunächst nur einen eingeschränkten Anspruch auf gesundheitliche Versorgung. In den ersten 18 Monaten sind sie nicht gesetzlich krankenversichert. Erst danach erhalten sie eine Gesundheitskarte und werden von einer gesetzlichen Krankenkasse betreut. Sie haben damit Anspruch auf Leistungen ähnlich zu denen der gesetzlich versicherten Menschen.

Die Kassen bezahlen laut Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) allerdings in der Regel keine Brücken oder Kronen komplett, sondern übernehmen 60 Prozent der Kosten für Zahnersatz. Der Rest muss zugezahlt werden oder wird von einer privaten Zusatzversicherung getragen.

NRW-Besonderheit bei Asylbewerbern

In NRW gibt es eine Besonderheit: Hier erhalten Asylbewerberinnen und Asylbewerber eine elektronische Gesundheitskarte zumeist bereits dann, wenn sie auf die Kommunen verteilt werden. So soll die Versorgung unbürokratischer ermöglicht werden. Am Leistungsumfang ändert das aber erst etwas, wenn ihr Asylantrag bewilligt – oder eben die 18 Monate abgelaufen sind.

Massive Kritik erntet Merz auch in der Politik. Mona Neubaur, die als grüne Wirtschaftsministerin mit dem CDU-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst in NRW regiert, schreibt auf „X“, früher Twitter: „Die rhetorische Radikalisierung von Friedrich Merz macht mich fassungslos. In offensichtlicher Unkenntnis der Gesetzeslage einfach mal haltlose Ressentiments raushauen, ist niederträchtig und brandgefährlich. Damit werden Menschen böswillig gegeneinander aufgehetzt.“

Bundesinnenminister Nancy Faeser, SPD-Spitzenkandidatin für die Hessen-Wahl, sprach von „erbärmlichem Populismus auf dem Rücken der Schwächsten“.

Kleine Paschas und Flüchtlingsobergrenze

Merz hatte zuletzt Mehrfach mit Äußerungen zur Zuwanderungspolitik und zu möglicher Zusammenarbeit mit der AfD auf lokaler Ebene für Aufsehen gesorgt. Das hatte heftigen Widerspruch auch aus NRW nach sich gezogen. NRW-Ministerpräsident und Parteikollege Hendrik Wüst gilt als „Anti-Merz“ und zugleich als schärfster Konkurrent für die nächste Kanzlerkandidatur der Union. Merz äußerte sich in den vergangenen Monaten regelmäßig in scharfem Ton zu Flüchtlingen und Migranten. Anfang des Jahres nannte er arabische Kinder in einer Talklshow „kleine Paschas“. Mit CSU-Chef Markus Söder hat er sich zuletzt für eine Obergrenze von Flüchtlingen ausgesprochen. mit dpa