Schleiden. NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur ist nach Schleiden in die Nordeifel gereist. Dort gibt es Erstaunliches um die Windkraft zu erleben.

Auf der Suche nach der gelingenden Energiewende ist Mona Neubaur kein Weg zu weit. Am Mittwochmorgen ist die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin von den Grünen bis an die belgische Grenze gefahren, um einen Windpark zu bestaunen, der sich in ein Naturschutzgebiet schmiegt und Bürger wie Unternehmer gleichermaßen glücklich macht.

Neubaur trägt einen weißen Bauhelm und steht im Turm einer von insgesamt 13 modernen Windkraftanlagen im „Windpark Schleiden“. Der liegt in der Nordeifel und ist über die A1 sowie viele Kilometer Landstraße zu erreichen. „Es ist super“, schwärmt die Ministerin, „weil das bestätigt, was ich in meinen Reden sage, wie unsere Unternehmerinnen und Unternehmer, unsere Bürgerinnen und Bürger drauf sind.“

NRW will bis 2027 zusätzliche 1000 Windräder

Die schwarz-grüne Landesregierung steht beim Thema Windkraft erheblich unter Druck. Im Koalitionsvertrag hat man im vergangenen Sommer vollmundig versprochen, bis 2027 landesweit 1000 zusätzliche Windräder bauen zu lassen. Im ersten Halbjahr lag er Brutto-Zubau gerade einmal bei 44 neuen Anlagen mit zusammen 200 MW Leistung. Kaum mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum (47 Anlagen/187 MW Leistung), als noch Schwarz-Gelb regierte.

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Immerhin wurden im ersten Halbjahr 2023 aber 131 Windräder genehmigt – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Es dauert jedoch bislang mindestens zwei Jahre, bis genehmigte Anlagen auch Strom liefern. Oft muss sich das Oberverwaltungsgericht mit Klagen von Betreibern herumschlagen. Ein Genehmigungsbescheid enthält schließlich mindestens 100 Nebenbestimmung. Diese machen Vorgaben zur Abschaltung der Windräder zu bestimmten Zeiten, um Vögel und Fledermäuse zu schützen oder nachts Anwohner von Rotorlärm zu verschonen.

In Schleiden wurden Anwohner zu Gesellschaftern

In Schleiden ist das alles kein Thema. Hier produzierten die 13 Anlagen zuletzt so viel grünen Strom, dass „jährlich 28.000 Drei-Personen-Haushalte“ versorgt werden könnten, die wie Bochumer GLS Bank vorrechnet. Das sozial-ökologische Geldinstitut hat den Windpark mit Beteiligung von Bürgern aus der Region finanziert. Sie waren von Anfang an Gesellschafter und verdienen am wirtschaftlichen Erfolg der Anlagen mit. „Die Bürgerbeteiligung hat der Energiewende bislang große Akzeptanz verschafft“, sagt der Vorstand der GLS Bank, Jakob Müller.

Nun steigt auch der wichtigste Arbeitgeber der Gegend ein, der Edelstahlrohr-Hersteller Schoeller. Das Unternehmen nutzt den Windstrom und baut eine eigene Wasserstoffproduktion auf, um an Tagen der Dunkelflaute ebenfalls über ausreichende Strommengen zu verfügen. Bis spätestens 2030 will Schoeller so seinen Co2-Ausstoß um 40 Prozent reduzieren und bis 2036 vollständig klimaneutral produzieren.

„Die Märkte der Zukunft werden grüne Märkte sein. Es wird darauf ankommen, dass man CO2-freie Edelstahlrohre in einen weltweiten Markt exportieren kann“, sagt Neubaur. Allerdings scheitert es in anderen Chefetagen in NRW meist nicht am guten Willen, sondern an der Verfügbarkeit von bezahlbarem, ausreichendem und verlässlichem Strom.

Neuer Landesentwicklungsplan soll im kommenden Jahr Klarheit schaffen

Auch in Schleiden wird Neubaur aufgefordert, doch einfach den Windkrafterlass des Landes Hessen zu kopieren, um die Genehmigung von Windkraft endlich zu erleichtern. Ein typischer Genehmigungsantrag für eine Windenergieanlage umfasst 1500 bis 3000 Seiten. Investoren müssen etwa Gutachten zur Standsicherheit, zu Lärm, Schattenwurf und optischen Auswirkungen sowie zu Artenschutz und Umweltverträglichkeit beibringen.

Neubaur hat in den vergangenen Wochen bereits den umstrittenen 1000-Meter-Mindestabstand zu Siedlungsgebieten für Windräder abgeschafft, für den Koalitionspartner CDU noch Wahlkampf gemacht hatte. Zudem wurde ein neuer Landesentwicklungsplan entworfen. Landes- und Regionalpläne sollen so geändert werden, dass bis zum Frühjahr 2024 NRW-weit möglichst gerecht sechs „Vorrangzonen“ ausgewiesen werden, auf denen die gewünschten 1000 Windräder konzentriert werden. In Ostwestfalen regt sich bereits Protest. Auch beim Sauerland-Tourismus gibt es einige Sorgen, dass nur bestimmte Kreis die Last der Energiewende schultern müssen.

NRW will sieben Jahre früher als vom Bund verlangt, die notwendigen Flächen für den massiven Ausbau der Windkraft ausweisen. Anfang 2025 sollen 1,8 Prozent der Landesfläche zur Verfügung stehen. „Dann ist es möglich, sicher dort Windenergieanlagen zu errichten“, verspricht Neubaur.

Bis dahin soll in den Genehmigungsbehörden auf den unterschiedlichen politischen Ebenen auch mit Hilfe der Digitalisierung Tempo gemacht werden. Sie sollen in die Lage versetzt werden, „durchzuentscheien“. Wer sich in der Branche umhört, lernt ein ziemliches Durcheinander kennen. „Wo wir besser werden müssen, ist ganz klar in der Frage, wie schnell und wie einfach sind Anträge zu stellen“, räumt Neubaur ein.

Die Landesregierung plane überdies Vereinfachungen beim Arten-, Natur- und Emissionsschutz. Die Ministerin fragt sich jedenfalls mit Blick auf die bürokratischen Abläufe: „Drehen wir vielleicht anderthalb Schleifen zu viel?“