Düsseldorf. Der NRW-Ministerpräsident, in Umfragen erfolgreicher als die Merz-CDU, stellt klar, was er von Genderstreit und Grünen-Bashing hält.

Hendrik Wüst gehörte nie zu den Theoretikern in der Union. Noch im vergangenen Herbst verstieg sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident als Gastredner beim „Deutschlandtag“ der Jungen Union in einem Hohelied auf den Regierungspragmatismus sogar zu der Aussage: „Wir waren nie Programmpartei.“

Wüst regiert zwar seit eineinhalb Jahren das größte Bundesland und führt den mitgliederstärksten CDU-Landesverband, die christdemokratische Suche nach Antworten auf den AfD-Höhenflug verfolgte er jedoch eher teilnahmslos. Umso aufmerksamer wird deshalb registriert, dass Wüst vor dem großen Grundsatzkonvent seiner Partei an diesem Samstag in Berlin doch noch entschlossen in die Kursdebatte eingreift.

In einem Gastbeitrag für die „FAZ“ formulierte Wüst eine Art Manifest: „Die CDU erteilt dem grassierenden Sofortismus, dem elitären Wunsch nach Radikalreformen und dem spalterischen Populismus eine Absage. Wir machen Politik mit dem Herzschlag der Mitte.“ Das ist eine deutliche Botschaft an all jene Parteifreunde, die der AfD mit platten Botschaften hinterherlaufen wollen.

Auch für Kinder, die nicht dem "träumerischen Idealbild" entsprechen

Stattdessen setzt Wüst auf „Family first“-Politik ausdrücklich auch für jene Kinder, die nicht einem „träumerischen Idealbild“ der Konservativen entsprechen. Zugleich wendet sich der Düsseldorfer Regierungschef, der selbst einer schwarz-grünen Koalition vorsteht, gegen allzu brachialen Reformehrgeiz wie etwa beim Heizungs-Zwangsumtausch. Nur klingt er dabei nicht so schäumend wie das Konrad-Adenauer-Haus, sondern eher mitfühlend wie einst SPD-Mann Kurt Beck: „Immer langsam mit de Leut.“

In einem flankierenden Interview mit der „Rheinischen Post“ schob sich Wüst zudem geschickt in die Ahnenreihe von Kohl bis Merkel. „Helmut Kohl hat mir mal vor vielen Jahren gesagt, die Aufgabe eines Christdemokraten sei es, Zuversicht zu verbreiten“, wird er dort zitiert. Die grimmigen Debatten über Gendersprache („Randthema“) dienen ihm eher nicht zur christdemokratischen Selbstvergewisserung. Außerdem hat Wüst gelernt, dass schlechte Laune, Streit und Spaltung immer nur beim populistischen Original einzahlen.

Abgrenzung vom grimmigen Parteichef Merz

Das alles wird als Abgrenzung zu Parteichef Friedrich Merz gelesen, der zuletzt gegen eine „penetrant vorgetragenen Volkserziehungsattitüde“ der Grünen und „gegenderte Nachrichtensendungen“ gewettert hatte. Wüsts „Herzschlag der Mitte“-Vorstoß hat begeisterte Zustimmung bei namhaften CDU-Leuten in den Sozialen Netzwerken gefunden. Ein Nerv ist getroffen. Das Bedürfnis nach einem, der in der CDU endlich Brücken baut zwischen Konservativen, Christsozialen und Schwarz-Grünen, zwischen Ost und West, zwischen Stadt und Land – es ist offenbar groß.

Mit seiner smarten 3-M-Strategie (Mitte, Modernität, Mehrheitsfähigkeit) steht Wüst in Umfragen deutlich besser da als die Merz-CDU. Greift der 47-Jährige schon im nächsten Sommer nach der Kanzlerkandidatur? „Meine Aufgaben liegen aktuell in Nordrhein-Westfalen“, sagt er dazu nur. Aktuell.