Düsseldorf. Deutschland macht Zugeständnisse. Teils harsche Kritik in NRW an den Beschlüssen, besonders Grünen-Politiker sind unzufrieden.
Eine klare Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten hat sich auf schärfere Asylregeln geeinigt, die schnelle Asylverfahren an Europas Außengrenzen ermöglichen sollen. Deutschland trägt den Kompromiss mit, obwohl es sich mit der Forderung, Familien mit Kindern von Grenzverfahren auszunehmen, nicht durchsetzen konnte. In NRW sind die Beschlüsse umstritten. Vor allem Grünen-Politiker äußern Kritik.
Flüchtlingsrat NRW nennt Vereinbarungen "beschämend und verwerflich"
„Beschämend und verwerflich“ nennt Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW die Vereinbarungen. Die Beschlüsse hätten nichts mit dem Ampel-Koalitionsvertrag zu tun, in dem bessere Standards für Schutzsuchende in Aussicht gestellt und Zurückweisungen von Geflüchteten kritisiert werden. „Stattdessen werden nun viele Menschen, darunter auch Kinder, für bis zu sechs Monate inhaftiert, nur weil sie um Asyl, also gerade um Schutz, nachsuchen“, sagte Naujoks dieser Redaktion. Das Elend an den Außengrenzen werde nun „um ein Vielfaches verstärkt“.
Der FDP-Landtagsabgeordnete Marc Lürbke hält die Beschlüsse des EU-Ministerrats hingegen für „überfällig“. Nun könne es gelingen, irreguläre Migration zu reduzieren und „den kriminellen Schlepperorganisationen ihre Grundlage zu entziehen“. Nicht jeder, der kommen wolle, könne in Europa bleiben. Der Deutsche Landkreistag lobte die EU: Die Ergebnisse zeigten, dass eine Reform des Asylrechts möglich sei, sagte Verbands-Präsident Reinhard Sager (CDU).
Polen und Ungarn stellen sich quer
In „Asylzentren“ an den EU-Außengrenzen soll zügig geprüft werden, ob Antragsteller überhaupt Chancen auf Asyl haben. Schneller abgeschoben werden könnten dann zum Beispiel Menschen aus der Türkei, Tunesien oder Albanien, bei denen die Anerkennungsquote erfahrungsgemäß gering ist. Die Mehrheit der Asylsuchenden – etwa aus Syrien oder Afghanistan – würde weiter ein normales Verfahren durchlaufen. Wenn an einer Außengrenze viele Asylbewerber gezählt werden, sollen sie über einen Verteilschlüssel in andere EU-Länder geschickt werden. Polen und Ungarn lehnen dies allerdings ab.
Grüne-Jugend-Landeschefin: "Unfassbare Entrechtung von Geflüchteten"
Während Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck (beide Grüne) den Kompromiss unter Verweis auf die Notwendigkeit einer Einigung in Europa verteidigten, äußerten Grünen-Politiker in NRW Unmut. „Mit Zustimmung Deutschlands wurde eine unfassbare Entrechtung von Geflüchteten beschlossen“, sagte Nicola Dichant, Chefin der Grünen Jugend NRW, dieser Redaktion. Alle roten Linien seien gerissen worden. „Darüber bin ich entsetzt und wütend“, so Dichant. Die Beschlüsse seien einer von der SPD geführten und de Grünen mitgetragenen Bundesregierung „unwürdig“.
Auch NRW-Integrationsministerin Paul ist unzufrieden
NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) sagte, die Ergebnisse blieben „hinter unseren Forderungen zurück“. Es sei „bitter“, dass es nicht gelungen sei, Kinder und ihre Familien von den Grenzverfahren auszunehmen.
In den nun anstehenden Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission, dem Europäischen Rat und dem Europaparlament müssten Verbesserungen vor allem beim Schutz von Kindern, Familien und vulnerablen Gruppen das Ziel sein, denn sie seien auf dem Fluchtweg besonders gefährdet.
Darüber hinaus müsse die legale Zuwanderung gestärkt werden, "um Menschen sichere Wege nach Europa, nach Deutschland und letztlich auch nach NRW zu eröffnen", sagte Paul.
Grünen-Landesspitze: Nachbesserungen nötig
Unzufriedenheit lassen auch die Grünen-Landesvorsitzenden Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer sowie die Chefinnen der Grünen-Landtagsfraktion, Verena Schäffer und Wibke Brems, durchblicken:
"Es war richtig, auf europäischer Ebene über eine andere Asylpolitik zu verhandeln. Die Ergebnisse entsprechen leider nicht unseren Forderungen. Wir kritisieren vor allem, dass die Innenminister*innen der EU Kinder und ihre Familien nicht von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen haben und dass vulnerable Gruppen nicht gezielt geschützt werden", sagte sie auf Anfrage dieser Redaktion. Es müsse in Ziel der weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene sein, hier nachzubessern.
"Wir in Nordrhein-Westfalen stehen weiterhin zu unserer humanitären Verantwortung. Sie gebietet es, dass wir den Menschen, die bei uns Zuflucht vor Krieg, Gewalt, Terror und Verfolgung suchen, Schutz gewähren", betonen Zeybek, Achtermeyer, Brems und Schäffer.