Essen. Eine aktuelle Lehrerbefragung zeigt düstere Prognosen für NRW-Schulen in sozialen Brennpunkten. Viele Lehrer fühlen sich „ohnmächtig“. Die Infos.
Kein Kita Besuch, kaum elterliche Unterstützung, mangelnde Sprachkenntnisse, bildungsferne Familien – während Kinder in besseren Stadtvierteln eine umfassende Förderung genießen, kämpfen Schulen in sozialen Brennpunkten mit besonderen Herausforderungen. In einer aktuellen Befragung der Düsseldorfer Wübben-Stiftung unter 150 Schulleitern geben 75 Prozent der Pädagogen an, dass viele Kinder beim Schuleintritt allein sprachlich kaum schulreif sind.
>>>Lesen Sie auch: NRW-Schulleiterin: „Der Unterricht gibt den Kindern Routine“
Danach haben mehr als 17 Prozent der Schülerinnen und Schüler in schwierigen Stadtvierteln keine Kita besucht, rund ein Viertel sind durch traumatische Erfahrungen, wie zum Beispiel Flucht, belastet. Alle befragten Schulleiter gaben an, dass die mangelnde Unterstützung der Eltern den Lernerfolg der Kinder und Jugendlichen besonders stark beeinträchtigt.
Grundschüler: Es fehle das Verständnis bei Zahlen, Farben, Formen
„Wenn Kinder in die erste Klasse kommen, starten sie hinsichtlich ihres schulischen Bildungsstandes bildlich gesprochen in der Regel bei null oder darüber. Viele können bereits ihren Namen schreiben und kennen Zahlen“, berichten auch acht Schulleiter auch von NRW-Brennpunktschulen in einem gemeinsamen Papier für die Wübben-Studie.
„Wir starten bei unseren Kindern oft jedoch bei minus fünf.“ Zu Hause werde den Kindern kaum vorgelesen, das Sozialverhalten sei ungeübt, der Wortschatz unzureichend. Es fehle ein Verständnis für Zahlen, Farben und Formen.
>>>Lesen Sie hier: Warum NRW-Grundschüler erst in zehn Jahren besser werden
„Deshalb sind viele Kinder bei uns ein Jahr länger in unseren Schulen als vorgesehen.“ Selbstverständlich treffe das nicht für jedes Kind zu, doch sei der Unterstützungsbedarf auch für Dinge hoch, die gemeinhin als selbstverständlich gelten.
„Wir erleben immer wieder frustrierende Momente“
Gängige Schulbücher seien oftmals nutzlos, Lehrpläne für die bestehenden Defizite unpassend, sagen mehr als 70 Prozent der befragten Schulleiter. Das beträfe sowohl das Schwierigkeitsniveau als auch die thematische Ausrichtung, die wenig mit der Lebensrealität der Kinder zu tun habe. „Wenn wir wie bisher mit den gleichen Mitteln und Methoden die gleichen Kompetenzen erreichen sollen, müssen wir sagen: Das funktioniert nicht!“
Die Schulleiter wissen, dass für einen erfolgreichen Bildungsweg der Kinder die Zusammenarbeit mit den Eltern elementar ist. Hier stoßen sie jedoch oft auf Hindernisse. „Wir erleben immer wieder frustrierende Momente, in denen wir uns ohnmächtig fühlen.“ Es geben mitunter eine Geringschätzung bis hin zur Missachtung von Bildungsprozessen von Elternseite bestimmter Milieus
Anrufe an die Eltern bleiben oft unbeantwortet
So fehlten manche Kinder bereits am ersten Schultag oder hätten nicht die nötige Ausstattung. Anrufe oder Anschreiben blieben häufig unbeantwortet. Oft sei Sprache eine große Barriere. „Wenn aber unser Engagement einseitig bleibt, benötigen wir Unterstützung bei der Durchsetzung der Interessen der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen“, mahnen die Schulleiter. Unter anderem fordern sie Dolmetscher und Sozialarbeiter, um Kontakte zu Eltern aufbauen und ihnen schulische Informationen vermitteln zu können.