Düsseldorf. Ein Allzeittief bei Organspendern in NRW entfacht die Debatte über eine “Widerspruchsregelung“ neu. Wer nicht spenden will, müsste aktiv ablehnen

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) strebt im Kampf um fehlende Organspender eine erneute Abstimmung über die sogenannte Widerspruchslösung an. „Wir können den Bundestag nicht aus der Verantwortung entlassen, sich noch einmal mit dieser Frage zu beschäftigen“, sagte Laumann am Mittwoch vor der Landespressekonferenz in Düsseldorf. NRW werde gemeinsam mit anderen Bundesländern über den Bundesrat die Initiative ergreifen, kündigte er an.

Eine Widerspruchslösung würde dafür bedeuten, dass jeder Hirntote mit intakten Organen prinzipiell als Spender in Frage käme. Es sei denn, zu Lebzeiten ist aktiv Widerspruch eingelegt worden. Dies würde in einem Register festgehalten. In den meisten anderen europäischen Ländern ist das schon lange Praxis. Deutschland hingegen entnimmt für schwerstkranke Patienten seit Jahren aus der gemeinsamen Datenbank „Eurotransplant“ deutlich mehr Organe als hierzulande gespendet werden. „Wie lange gucken sich das die anderen Länder eigentlich noch an?“, fragte Laumann. In Spanien etwa gibt es eine deutlich höhere Bereitschaft, mit den Organen von Sterbenden Leben zu retten.

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In NRW sank die Zahl der Organspender im vergangenen Jahr auf das Allzeittief von nur noch 169. Das bedeutet ein Minus von 18 Prozent gegenüber 2021. Experten gehen davon aus, dass etwa doppelt so viele Tote pro Jahr in NRW eigentlich als Spender in Frage gekommen wären.

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Zuletzt hatte sich der Bundestag 2020 gegen die Widerspruchslösung ausgesprochen und stattdessen auf bessere Aufklärung gesetzt. Seither wird in Hausarztspraxen und in Ämtern die Spendebereitschaft häufiger abgefragt. Zudem mussten die Krankenhäuser ihren Umgang mit Sterbenden, die als Spender in Frage kommen, professionalisieren. „Die Struktur ist gut, doch das Ergebnis ist zu niedrig“, sagte Laumann: „Viele Menschen entscheiden nicht, weil sie sich einfach nicht mit der Frage beschäftigen wollen.“

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Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) sieht als größtes Problem, dass nur von 15 Prozent aller möglichen Spendern eine schriftliche Erklärung vorliegt. Oft sei unklar, was der oder die Verstorbene wollte. Müssen Angehörige nach eigenen Wertvorstellungen entscheiden, erteilen sie in fast 80 Prozent der Fälle keine Zustimmung zur Organentnahme. Mit der Widerspruchslösung werde man es „vielleicht schaffen, es ein bisschen zur Normalität zu machen und zu enttabuisieren“, hofft der Geschäftsführende DSO-Arzt Scott Oliver Grebe.

Für die Perspektive der Patienten warb Kerstin Ronnenberg vom Bundesverband der Organtransplantierten. Nach einer Autoimmunerkrankung erhielt sie vor fünf Jahren eine lebensrettende Spenderlunge. Sie durchlitt ein Jahr Wartezeit mit Sauerstoffflasche, in dem sie nie wusste, „ob ein Organ noch rechtzeitig kommt“.