Düsseldorf. Der Korruptionsskandal um die Luxussanierung der NRW-Staatskanzlei zieht weitere Kreise. Der Finanzminister will alles offenlegen.
Der Korruptionsskandal um die überteuerte Sanierung der NRW-Staatskanzlei zieht immer weitere Kreise. Die Oppositionsfraktionen im Landtag wollen von der schwarz-grünen Landesregierung wissen, inwiefern Aufsichtsversagen und bestimmte Ausstattungswünsche der Regierungsspitze die mutmaßlich kriminellen Handlungen begünstigt haben könnten.
„Gab es Wünsche, die zu einer bestimmten Art von Ausschreibung geführt haben?“, fragte SPD-Finanzexperte Stefan Zimkeit am Donnerstag in einer Sitzung des Haushaltsausschusses. FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel wollte grundsätzlich wissen, in welchem Geist die Sanierung des historischen „Landeshauses“ am Rheinufer vorangetrieben wurde: Ging es „um das letzte Design-Highlight“ oder um eine „funktional-sinnvolle Lösung“?
Vor zehn Tagen wurde durch eine Großrazzia in mehreren NRW-Städten bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Wuppertal und das Landeskriminalamt im Zusammenhang mit dem Staatskanzlei-Umbau gegen sieben Beschuldigte ermitteln. Mitarbeiter des landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB), eines renommierten Düsseldorfer Architekturbüros und eines Leuchtenherstellers sollen gemeinschaftlich das Land um Millionen geprellt haben.
Korruptionsskandal um NRW-Staatskanzlei: Ausschreibungen manipuliert?
Die Methode: BLB-Projektverantwortliche und Mitarbeiter des Architekturbüros sollen Ausschreibungen so gestaltet haben, dass auffällig oft ein Unternehmen zum Zuge kam, welches bestimmte Beleuchtungslösungen anbietet. Nach erfolgtem Zuschlag sollen dann hohe Nachforderungen gestellt worden sein, die das Land anstandslos beglich. Den Gewinn aus den überhöhten Rechnungen sollen sich die Beteiligten geteilt haben.
Gewann eine andere Firma die Ausschreibung, wurde ihr mit „Designschutzverletzungen“ gedroht, sofern sie die BLB-Clique nicht an ihren Gewinnen beteiligen wollte. „So wurden bis Ende 2023 allein im Gewerk ‚Elektroanlagen und Beleuchtungen‘ Nachträge im Wert von insgesamt 2,34 Millionen Euro geltend gemacht“, heißt es in einem Bericht der Staatsanwaltschaft. Die genaue Schadenshöhe ist aber noch nicht bekannt.
Herausgekommen sind die Machenschaften bereits im Herbst 2023, als ein Unternehmer nicht mitspielen wollte. Er hatte eine Auftragsvergabe gewonnen und sollte an besagte Konkurrenzfirma 50.000 Lizenzgebühr für Designrechte zahlen. Außerdem sollte er beim BLB ein Mehrkostenangebot in Höhe von 150.000 Euro einreichen und den daraus resultierenden Gewinn teilen.
„Im Kern hat das Compliance-System gegriffen“
Der Unternehmer meldete sich beim externen Antikorruptionsbeauftragten des BLB, der eine Kaskade an Ermittlungen in Gang setzte. Die Interne Revision des BLB startete eine streng vertraulichen Sonderprüfung. Dabei wurden vergaberechtliche Verstöße, Manipulationen im SAP-System und eine Vielzahl von Auffälligkeiten festgesellt. Nur ein kleiner Kreis durfte eingeweiht werden.
Das Landeskriminalamt ermittelte schließlich mehr als ein Jahr lang verdeckt. Selbst Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU), der die Fachaufsicht über den BLB hat, soll erst am 14. Januar 2025 ins Bild gesetzt worden sein, als morgens um sechs fast 200 Kräften ausrückten, um 57 Objekte in Düsseldorf, Mönchengladbach, Neuss, Erkrath, Wegberg und Münster zu durchsuchen. „Der Kreis der Wissensträger sollte möglichst klein gehalten werden“, heißt es in einem Bericht des Finanzministeriums.
Optendrenk ist seither bemüht, politisch in die Offensive zu kommen. „Im Kern hat das Compliance-System gegriffen“, sagte er am Donnerstag - obschon er sich gewünscht hätte, dass es nicht erst eines Hinweises auf die krummen Praktiken von außen bedurft hätte. Das interne Kontrollsystem sei „vermutlich durch das kollusive Zusammenwirken mehrerer Beschuldigter umgangen“ worden, so der Finanzminister. Der BLB ist einerseits einer der größten Immobilienverwalter in Europa mit Tausenden Mitarbeitern, den man schwer lückenlos überwachen kann. Andererseits ist der Landesbetrieb schon mal vor 15 Jahren mit zweifelhaften Praktiken auffällig geworden.
Optendrenk hat nun eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit einer umfassenden Überprüfung aller internen Kontrollmechanismen und Compliance-Systeme beauftragt. Von den bisherigen Prüfern war der Jahresabschluss 2023 in Kenntnis der Verdachtsmomente uneingeschränkt testiert worden.
Umbau der NRW-Staaskanzlei wurde immer edler und teurer
Der Finanzminister will auch den umfassenden internen Revisionsbericht offenlegen. Bislang gibt es keine Ermittlungen gegen Beschäftigte der Staatskanzlei. Die Opposition im Landtag mag dennoch nicht glauben, dass die Regierungszentrale als Gebäudenutzer bloß „zufällig“ betroffen sei, wie es Grünen-Finanzpolitiker Simon Rock formulierte.
Laut Staatsanwaltschaft besteht der Verdacht, dass bereits 2018 „gezielt gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen“ worden sei, damit ein bestimmtes Architekturbüro den Auftrag bekommt. Nach dem Regierungswechsel 2017 war entschieden worden, die Staatskanzlei mit seinen 300 Mitarbeitern aus angemieteten Büroräumen des modernen gläsernen „Stadttores“ zurück ins „Landeshaus“ zu verlegen. Der Komplex direkt am Rheinufer diente zwischen 1911 und 1945 als Zentralverwaltung des Rheinischen Provinzialverbandes und zwischen 1961 und 1999 schon einmal als Teil der Regierungszentrale.
Bei der Vorstellung des Sanierungsvorhabens 2017 wurde öffentlich kein Budgetrahmen genannt, zugleich aber der Eindruck vermittelt, es gehe bloß um eine bescheidene Ertüchtigung. Daran kamen immer größere Zweifel auf, als im Laufe von inzwischen sieben Jahren zwei pompöse Eingangshallen, ein Panorama-Aufzug mit Rheinblick, ein edler Flügel für das Presse- und Informationsamt, eine Kantine im Hotelbar-Stil oder die Turnhallen-große Repräsentationsetage mit feinen Nussholz-Lamellen nach und nach fertig wurden. Inzwischen sollen sich die - noch immer nicht abgeschlossenen - Umbaukosten auf weit über 55 Millionen Euro belaufen.
Berührungspunkte zwischen BLB, dem Architekten und Beamten der Staatskanzlei gab es bei sogenannten „Bemusterungsterminen“. Hierbei wurden auch Einschätzungen und Präferenzen mit Blick auf die Gestaltung und Wirtschaftlichkeit geäußert.