Berlin. Kanzler Scholz und die Spitzen der EU setzen auf gute Partnerschaft mit den USA. Auch Putin gratuliert – mit einer besonderen Geste.
Die Ungewissheit ist groß nach der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump, aber offiziell ist in Deutschland Zuversicht angesagt: Kanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Herausforderer bei der Bundestagswahl, Friedrich Merz (CDU), reagieren in Berlin freundlich auf den Machtwechsel – sie senden aber auch ein Signal des Selbstbewusstseins. Ähnlich äußern sich die Spitzen der EU, während sich einige Regierungen in Europa durchaus beunruhigt zeigen. Für besondere Aufmerksamkeit sorgt indes die Reaktion des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Putin gratulierte Trump mit einer deutlichen Geste: „Wir sind auch zum Dialog mit der neuen amerikanischen Regierung über den Ukraine-Konflikt bereit“, sagte er in Moskau. Ziel solle „keine kurze Waffenruhe“, sondern ein „dauerhafter Frieden“ sein. Der Kremlherrscher erklärte, er habe die Forderungen Trumps gehört, die direkten Kontakte zwischen Moskau und Washington wiederherzustellen und alles zu tun, um einen Dritten Weltkrieg zu verhindern: „Zweifellos begrüßen wir diese Einstellung und beglückwünschen den gewählten Präsidenten der USA zum Amtsantritt“, sagte Putin. Er und Trump hatten schon zuvor die Bereitschaft zu einem persönlichen Treffen geäußert.
Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte in seiner Gratulation: „Die USA sind unser engster Verbündeter und ein gutes transatlantisches Verhältnis ist stets Ziel unserer Politik“. Scholz sagte am Montag, er setze weiter auf stabile Beziehungen, enge politische Zusammenarbeit und die Fortsetzung des Verteidigungsbündnisses mit den USA. Die transatlantischen Beziehungen seien für Deutschland und für Europa von größter Bedeutung, die Nato Garant der Sicherheit, erklärte Scholz. Doch sei zugleich die Europäische Union mit ihren 27 Mitgliedstaaten und mehr als 400 Millionen Menschen eine „starke Gemeinschaft“, die selbstbewusst auch auf eigene Stärke setzen könne. Scholz hatte seit dem Wahlsieg Trumps im November zweimal mit ihm telefoniert, der Kanzler beschreibt die Gespräche als freundlich und gut; mit einer schnellen Besuchseinladung nach Washington wird in Berlin aber nicht gerechnet.
Merz schlägt neuen Anlauf für Freihandelsabkommen vor
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz gratulierte dem US-Präsidenten mit einem handschriftlichen Brief und nannte dabei Trumps Wahlsieg „wirklich bemerkenswert“. Merz rief dazu auf, „ein neues Kapitel in den europäisch-amerikanischen Beziehungen aufzuschlagen“. Dies sei eine seiner „Prioritäten“, wenn er Bundeskanzler werde, erklärte Merz. In Berlin betonte der CDU-Vorsitzende aber an das deutsche Publikum gerichtet auch, der Amtsantritt von Trump sei „für uns kein Grund zur Sorge“. Wenn Europa geschlossen und selbstbewusst auftrete, könne es optimistisch in die Zukunft blicken.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa erklärten in Brüssel an die Adresse Trumps: „Die EU freut sich auf eine enge Zusammenarbeit mit Ihnen bei der Bewältigung globaler Herausforderungen.“ Gemeinsam könnten die Gesellschaften größeren Wohlstand erreichen und ihre gemeinsame Sicherheit stärken. „Dies ist die beständige Stärke der transatlantischen Partnerschaft“, fügten sie hinzu. Der britische Premier Keir Starmer beschwor in seinen Glückwünschen die „einzigartig enge Verbindung“ und „tiefe Freundschaft“ der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs. Ihre Beziehungen seien seit Jahrhunderten geprägt von Zusammenarbeit, Kooperation und dauerhafter Partnerschaft. „Wir werden weiterhin auf den unerschütterlichen Grundlagen unserer historischen Allianz aufbauen, während wir gemeinsam die globalen Herausforderungen angehen“, erklärte Starmer. Der Premier hofft nach Angaben aus seinem Umfeld darauf, dass Trump ihn schon in den nächsten Wochen zu einem Besuch in Washington empfängt.
Der Papst spricht von Schande: Kritik an Trumps Abschiebeplänen
Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte Europa und ihrem Land herausfordernde Zeiten wegen Trumps Präsidentschaft voraus. Die Europäer würden sich in einer neuen Wirklichkeit zurechtfinden müssen, erklärte die Sozialdemokratin. Europa habe aber schon früher schwere Zeiten erlebt und müsse nun all seine Kraft wiederfinden. Ähnliche Töne kommen aus Paris: Der französische Premierminister François Bayrou rief die EU und Frankreich zur „Neubesinnung“ auf, um nicht von Trumps Politik „überrollt“ zu werden. „Wenn wir nichts tun, werden wir dominiert, überrollt und an den Rand gedrängt werden“, warnte Bayrou.
Auch Papst Franziskus sorgte mit Kritik für Aufsehen. Trumps Pläne für eine restriktive Migrationspolitik mit Massenabschiebungen nannte der Papst eine „Schande“. In einem Telegramm an Trump rief er den US-Präsidenten dazu auf, sich für eine Gesellschaft ohne Hass, Diskriminierung und Ausgrenzung einzusetzen.
Die EU bereitet vorsichtshalber schon Vergeltungszölle vor
Jenseits offizieller Verlautbarungen gibt es in der Bundesregierung die Erwartung, dass Trump Druck bei den Verteidigungsausgaben machen und die Unterstützung für die Ukraine kürzen könnte. Die größten Befürchtungen in Berlin und Brüssel betreffen aber den Handel: Trump hat im Wahlkampf Importzölle von 10 bis 20 Prozent angekündigt, was in Europa vor allem die exportabhängige deutsche Wirtschaft treffen würde.
Die EU hat Vergeltungszölle auf US-Importe vorbereitet, hofft jedoch, einen Konflikt in Verhandlungen noch abwenden zu können. EU-Industriekommissar Stéphane Séjourné warnte am Montag: „Wir können nicht einen Handelskrieg führen und gleichzeitig ein Europa der Verteidigung aufbauen.“ Ein Handelskrieg werde die EU „enorm viel kosten“. Wirtschaftsexperten des Münchner Ifo-Instituts sprechen von einer weit verbreiteten Sorge in den westlichen Industrieländern, dass Trump ihrer Wirtschaft schade. In Afrika, Lateinamerika und Asien rechnen die Experten dagegen kaum mit negativen Effekten auf das Wirtschaftswachstum ihrer Länder.