Berlin. CDU, SPD und BSW präsentieren ihren Koalitionsvertrag. Warum Wagenknecht noch intervenierte – und welche Hürde das Bündnis noch nehmen muss.
In Thüringen bahnt sich ein Novum deutscher Regierungskonstellationen an: Knapp drei Monate nach den Landtagswahlen haben CDU, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die SPD ihren gemeinsam ausgehandelten Entwurf für den Koalitionsvertrag präsentiert. CDU-Chef Mario Voigt sprach am Freitag in Erfurt von einem „guten Tag für Thüringen“. Mit dem gemeinsamen Papier sei ein „Fundament für eine neue, handlungsfähige Regierung“ gelegt worden.
Der CDU-Mann dürfte bei einer erfolgreichen Abstimmung im Erfurter Landtag die Nachfolge von Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) antreten. Das Bündnis hätte allerdings nur 44 der 88 Sitze im Landtag, womit der angestrebten Koalition eine Stimme zur absoluten Mehrheit fehlt. Die Thüringer Verfassung erlaubt es allerdings, dass der Ministerpräsident im dritten Wahlgang auch mit einer einfachen Mehrheit gewählt werden kann. Für die Zustimmung zu Gesetzen bedarf es dann allerdings der Stimmen aus der Linken-Fraktion. Eine Zusammenarbeit mit der AfD, der stärksten Fraktion im Erfurter Landtag, schließen die Parteien bis dato aus.
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Thüringen: Diese Hürde müssen CDU, BSW und SPD noch nehmen
Neben der Wahl des Ministerpräsidenten, die bereits im Dezember erfolgen könnte, muss die sogenannte Brombeer-Koalition allerdings noch eine Hürde nehmen: Die jeweilige Parteibasis muss zur Zustimmung bewogen werden. BSW-Landeschefin Katja Wolf sagte, ungeachtet ihrer Unterschiede hätten die drei Partner es geschafft, einen „wirklich guten Koalitionsvertrag auf den Tisch zu packen“. Auch beim lange umstrittenen Thema Frieden seien Kompromisse gefunden worden.
Wenn alle drei Parteien zustimmen, übernimmt das BSW erstmals in Deutschland Regierungsverantwortung. Wie reibungslos die Zusammenarbeit der drei Parteien in der Regierungspraxis abläuft, bleibt abzuwarten. Zumindest vor der Präsentation des Vertragsentwurfes hatte Parteigründerin Sahra Wagenknecht noch interveniert. Sie pochte auf eine Nachjustierung in der Friedensfrage: Im Kapitel zur Europapolitik steht jetzt, man erkenne an, dass viele Menschen die Stationierung von Mittelstreckenraketen „als eine fundamentale Veränderung der strategischen und militärischen Lage in Europa und auch in Deutschland begreifen“. „Eine Stationierung und deren Verwendung ohne deutsche Mitsprache sehen wir kritisch“, heißt es nun in dem Papier.
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In der schon vor Wochen verhandelten Präambel zum Koalitionsvertrag ist das Thema etwas zurückhaltender formuliert. Dort heißt es: „Wir erkennen aber auch an, dass viele Menschen in Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen kritisch sehen bzw. ablehnen.“
Wagenknecht hatte das Ergebnis des Sondierungspapiers scharf kritisiert, die Präambel bleibe deutlich hinter dem Ergebnis in Brandenburg zurück, hatte sie moniert und den Kompromiss als Fehler bezeichnet. An dem Thema drohten zwischenzeitlich die Koalitionsabsichten der drei Parteien zu scheitern. Mit dem nun in Thüringen entstandenen Koalitionsvertrag zeigte sich Wagenknecht aber zufrieden. „Die Kritik und der Druck aus der Partei haben dabei geholfen, in Thüringen jetzt wesentlich stärker die Handschrift des BSW zu verankern und auch friedenspolitisch klarere Positionen, etwa eine Kritik an den US-Raketenplänen, durchzusetzen“, sagte Wagenknecht der dpa.
Voigt sagte bei der Vorstellung des Papiers, es sei ein „besonders friedlicher Vertrag“, der vorliege. Er bezog sich dabei auf die aus seiner Sicht konstruktiven Gespräche zwischen den künftigen Koalitionspartnern.