Düsseldorf. Wenn Fäuste fliegen oder Zuschauer pöbeln, können Schiris jetzt „Beruhigung“ anordnen. Aber funktioniert das auch in der Praxis?
- Der NRW-Landtag hat sich am Dienstag über das neue „Stopp-Konzept“ im Amateurfußball informiert.
- Der Präsident des Westdeutschen Fußballverbandes, Peter Frymuth, ist zuversichtlich, dass die „Beruhigungspausen“ mehr Ruhe in die Spiele bringen können.
- Nicht alle Vereine und Schiedsrichter teilen diese Einschätzung. Manche Schiris verzichten einfach auf dieses Instrument.
Der Westdeutsche Fußballverband (WDFV) ist wenige Monate nach der Einführung des sogenannten „Stopp-Konzeptes“ zufrieden mit den neuen „Beruhigungspausen“ im Amateurfußball.
„Die Schiedsrichter sind dankbar, dass sie jetzt ein Instrument haben, das ihnen die Arbeit erleichtert“, sagte WDFV-Präsident Peter Frymuth am Dienstag im Sportausschuss des Landtags.
Verbands-Chef Frymuth im Landtag: „Vereine reagieren durchweg positiv“
Es gebe bisher keinen Fall in NRW, in dem das Stopp-Konzept bei der Umsetzung Probleme gemacht habe. Zweimal seien allerdings Spiele trotz des neuen Konzeptes abgebrochen wurden. Die Reaktionen aus den Vereinen seien bisher durchweg positiv. Zahlen, wie oft Schiedsrichter bisher in NRW „Beruhigungspausen“ angeordnet haben, nannte Frymuth nicht. Dafür sei es zu früh. Ende Dezember, wahrscheinlich aber erst zum Ende der Saison, werde eine seriöse Aussage darüber möglich sein, ob das Konzept geeignet sei, die Zahl der Spielabbrüche zu verringern. In NRW endeten in den vergangenen Jahren nur etwa 0,4 Prozent der Spiele mit einem Abbruch.
Räumliche Trennung der Teams: Jedes muss in seinen Strafraum
Zur Saison 2024/2025 wurden im Amateurbereich bundesweit einheitliche „Beruhigungspausen“ eingeführt. Wenn der Schiedsrichter solch eine Pause anordnet, müssen sich die Spielerinnen und Spieler im eigenen Strafraum versammeln. Trainer, Kapitäne und andere Akteure gehen dann in den Mittelkreis. Dort nennt der Unparteiische den Grund und die Dauer der Pause und fordert die Personen im Mittelkreis auf, Spieler, Zuschauer oder Vereinsoffizielle wieder zu beruhigen.
Das Stopp-Konzept
Schiris können im Amateurfußball ab der Saison 2024/2025 das Spiel für eine Beruhigungspause unterbrechen. Das Pilotprojekt greift mit Beginn der neuen Saison bundesweit.
Laut dem DFB gehen mehr als 99 Prozent aller Begegnungen im deutschen Amateurfußball ohne Störung über die Bühne. Leider gab es in der Saison 2022/2023 aber auch 961 Spielabbrüche aufgrund von Gewalt- oder Diskriminierungsvorfällen, also bei 0,075 Prozent aller absolvierten Partien. Um solche Situationen zu vermeiden und Gewalt zu reduzieren, hat sich der DFB beim IFAB, dem internationalen FIFA-Gremium, das Änderungen der Fußballregeln beschließt, für eine Neuerung eingesetzt.
Pro Spiel sind maximal zwei Beruhigungspausen vorgesehen. Würde eine dritte Beruhigungspause erforderlich werden, wird das Spiel endgültig abgebrochen. Wichtig: Schiris können ein Spiel auch weiterhin in bestimmten Situationen ohne Beruhigungspause abbrechen. (Quelle: DFB)
Ein aktuelles Beispiel: Am Wochenende unterbrach ein Schiedsrichter in Gladbeck per „Stopp-Konzept“ die Kreisliga-Partie zwischen Adler Ellinghorst und der SpVgg Middelich-Resse nach mehreren Streitigkeiten auf dem Platz. Aus Sicht des Unparteiischen wirkte diese Maßnahme aber nicht nachhaltig. Das Spiel wurde anschließend ganz abgebrochen.
Hier ein Video von staige-TV zu den Ereignissen in diesem Spiel. Die Unterbrechung ist etwa ab der 80. Minute zu sehen.
Auch, wenn es im ganzen Verbandsgebiet insgesamt nicht viele Spiele sind: Lokal häufen sich seit Herbstbeginn die Meldungen über Spielabbrüche aufgrund von Rudelbildungen bis hin zu körperlicher Gewalt wieder etwas, speziell in den unteren Fußballligen.
Nachgehakt bei einigen betroffenen Vereinen wie Ellinghorst und Middelich-Resse, sowie einigen Schiedsrichtern, scheint hin und wieder die Stoppregel doch nicht zu wirken oder wieder der Zustand vor Einführung des Konzeptes eingetreten zu sein. In Gladbeck-Ellinghorst brach der Unparteiische das Spiel schließlich ab, weil, so zeigen es auch Spielaufzeichnungen auf staige.tv, ein Spieler nochmal die Diskussion mit ihm suchte. Was dort gesagt wurde, ließ sich anhand der Bilder nicht rekonstruieren.
Manche Schiris vertrauen lieber den alten Rezepten, um Spieler wieder zu beruhigen
Auf anderen Plätzen hingegen kommt es zu handfesten Auseinandersetzungen, ohne dass die Stoppregel zur Beruhigung angewendet wird. Letzteres hat Schiedsrichter Martin Kadzioch, der im Kreis Duisburg, Mülheim und Dinslaken pfeift, selbst so praktiziert. „Wenn was passiert, versuche ich es eigentlich, wie immer zu handhaben“, berichtet er.
„Ich hatte eine Partie mit einer physischen Auseinandersetzung. Da gab es dann glatt rot und eine Ansprache, und so war alles problemlos lösbar.“ Zu Beginn der Saison hat Kadzioch als Schiedsrichterbeobachter aber auch erlebt, wie eine Beruhigungspause wieder Ordnung in ein sehr hitziges Spiel brachte.
Neben der Stoppregel gilt im Fußball jetzt auch in den Amateurligen die „Kapitänsregel“. Funktioniert das? Drei Schiedsrichter haben ein Zwischenfazit gezogen.