Berlin. Udo Lindenberg bezeichnete Honecker einst frech als „Oberindianer“ – und veränderte damit das Lebensgefühl. Wokeness hat da nichts zu suchen.

1983, mitten im Kalten Krieg. In den Klassenzimmern übten westdeutsche Schülerinnen und Schüler den Ernstfall: Beim Atomschlag unter den Tisch kriechen. In der Aula wurde „The Day After“ gezeigt – ein Fernsehfilm, der sich mit den Auswirkungen eines fiktiven Atomkriegs mitten in den USA befasst. Kurz: Damals war die Stimmung ganz schön angespannt. Zumal Todesstreifen, Stacheldraht und einschüchternden Grenzkontrollen bei jedem Berlin-Besuch der abstrakten Gefahr eine gewisse Realität gaben.

Und dann löste Udo Lindenberg mit dem flapsigen „Oberindianer“ den Knoten im Hals. Gemeint war, klar, der steife Erich Honecker, Vorsitzender des Staatsrats der DDR. Lindenberg zog ihm eine Lederjacke an und ließ ihn heimlich Westradio hören, einzig mit dem Ziel, in Ostberlin auftreten zu dürfen. 

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Udo Lindenberg hat das Lebensgefühl einer ganzen Generation verändert

Und er durfte singen, wenn auch unter den Augen der Stasi. Ein persönlicher Sieg, der weit über den kommerziellen Erfolg hinausgeht. Ganz klar: Udo Lindenberg hat Geschichte geschrieben. Er hat das Lebensgefühl einer ganzen Generation verändert; und dieser Erfolg hat auch mit dem „Oberindianer“ zu tun. Die Message dahinter: Bleibt locker, Leute.

Birgitta Stauber
Birgitta Stauber, Textchefin der Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Locker bleiben: Das kann man nur den Vertreterinnen und Vertretern des Berliner „Humboldt Forum“ nur raten. Sie haben im frech-flapsigen „Oberindianer“ den „Nachklang der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen“ entdeckt und wollen den Begriff bei einer Aufführung aus dem Song streichen. Damit aber machen sie Udo Lindenbergs Message kaputt und auch seinen historischen Erfolg.  

Erich Honecker hat den frech-flapsigen „Oberindianer“ als Beleidigung aufgefasst. Wenn Udo Lindenberg aber jemanden in seinem Song bewusst beleidigt hat, dann die Vertreter der seichten Musikbranche, die er als „Schlageraffen“ bezeichnete. Daran hat das Humboldt-Forum offenbar nichts auszusetzen. Ob dahinter ein abgehobenes Kulturverständnis steckt? Welch ein Irrsinn.