Berlin. Joe Biden wird in Berlin geehrt und gedankt. Doch über der Feierstimmung liegt ein Schatten. Der wird von Donald Trump geworfen.

Im Gesicht von Olaf Scholz ist ein bisschen Stolz zu erkennen angesichts der Worte von Joe Biden. „Danke, danke, danke. Ich schätze unsere Gespräche“, lobt der US-Präsident den deutschen Kanzler. „Ich meine das wirklich. Vielen Dank für deine Freundschaft.“ Zuvor hatte Biden bereits die Führungsstärke von Scholz etwa bei der Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg hervorgehoben. Scholz und Biden stehen nebeneinander im Kanzleramt, voraussichtlich zum letzten Mal.

Es ist der Abschied eines großen Transatlantikers von Europa. Der Abschied eines Freundes der Deutschen von dem Land, das er in Person von Olaf Scholz an seiner Seite wusste. Joe Biden ist es deswegen ein Bedürfnis gewesen, Deutschland noch vor der US-Wahl am 5. November zu besuchen.

Ukraine-Krieg: Scholz lehnte sich stets an Biden an

US-Präsident Biden in Berlin
Olaf Scholz begrüßt US-Präsident Joe Biden. Der Kanzler dankte dem 81-Jährigen für seine Freundschaft und die Zusammenarbeit. © DPA Images | Christoph Soeder

Den ursprünglich eine Woche zuvor geplanten Staatsbesuch in Deutschland hatte Biden abgesagt, weil der Hurrikan „Milton“ über Teile der USA gefegt war. Besuche des Präsidenten sind wegen der hohen Sicherheitsstufe ein enormer Aufwand für alle Beteiligten. In Deutschland wurde es als Zeichen besonderer Wertschätzung gesehen, dass der 81-jährige Biden die Reise dennoch nur wenige Tage später nachholt, wenn auch mit gekürztem Programm. Nicht einmal 24 Stunden bleibt Biden in Berlin.

Auch für Scholz ist es ein bedeutender Moment, dass er noch die Chance bekommt, sich von Biden zu verabschieden. Für den Kanzler war der 15 Jahre ältere US-Demokrat ein Vorbild, in der Ukraine-Politik eine Leitfigur. „Deiner Führung ist es zu verdanken, dass Putins Plan gescheitert ist“, sagt Scholz. Die Entscheidung für die Lieferung immer schlagkräftigerer Waffen an die Ukraine stimmte Scholz eng mit dem US-Präsidenten ab, ging keinen Schritt ohne Biden.

Joe Bidens Fitness: Scholz und sein Umfeld nahmen den Präsidenten stets in Schutz

Bis der vor den Augen der Welt immer gebrechlicher werdende Biden im Juli schweren Herzens seine erneute Präsidentschaftskandidatur aufgab und den Weg für Kamala Harris frei machte, hatten Scholz und sein Umfeld Biden und dessen Fitness stets in Schutz genommen. Scholz nennt Biden zum Abschied einen Freund, betont auf Deutsch und Englisch die gute Zusammenarbeit. Nach Bidens Abschied aus dem Weißen Haus wird Scholz dieser enge Verbündete fehlen.

Scholz lobt Biden für starke Unterstützung der Ukraine

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    Dem Kanzler und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist es an diesem Tag ein Anliegen, Biden für seine Lebensleistung zu ehren, für seine Freundschaft zu Deutschland zu danken. Das offizielle Besuchsprogramm beginnt am Freitagmorgen mit Verspätung. Biden war am Donnerstagabend mit der Präsidentenmaschine Air Force One in Berlin gelandet, die Nacht hat Biden im Hotel Ritz-Carlton am Potsdamer Platz verbracht. Am Morgen rollt seine hochgesicherte Limousine mit etwa einer halben Stunde Verspätung durch die abgesperrten Straßen der Hauptstadt.

    Steinmeier ehrt Biden mit dem höchsten Orden, den er vergeben kann

    Gegen 10.30 Uhr steigt Biden am Schloss Bellevue schließlich aus dem Auto. Steinmeier schüttelt dem Gast die Hand, dabei berührt der Bundespräsident mit seiner Linken dreimal Bidens Arm. Als die beiden die militärische Ehrenformation abschreiten, legen die beiden Staatschefs sich kurz freundschaftlich den Arm auf den Rücken. Nach einem kurzen vertraulichen Gespräch verleiht Steinmeier dem US-Präsidenten mit der „Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“ den höchsten Orden, den der Bundespräsident vergeben kann.

    U.S. President Joe Biden Meets With European Leaders In Berlin
    Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den US-Präsidenten mit militärischen Ehren empfängt, legen die Politiker sich kurz freundschaftlich den Arm auf den Rücken. © Getty Images | Sean Gallup

    Für seine Rede hat sich Steinmeier eine alte Aktennotiz aus dem Archiv holen lassen. „Vor vierundvierzigeinhalb Jahren, als der junge Senator Joseph Biden nach Bonn kam, schrieb ein deutscher Beamter ein Protokoll – ein recht ausführliches, sollte ich sagen – über den Besuch jenes Senators“, sagt Steinmeier auf Englisch und hält den Vermerk hoch. „An der Bundesrepublik Deutschland ist er stark interessiert”, zitiert der Bundespräsident daraus weiter, dem Senator stehe eine „bedeutende politische Zukunft“ bevor. Das sei rückblickend eine Untertreibung, fügt Steinmeier hinzu.

    Donald Trump: Seine Wahl könnte nicht nur die deutsch-amerikanische Freundschaft erschüttern

    „Dass wir – in diesem gefährlichsten Moment der europäischen Geschichte seit Ende des Kalten Krieges – Sie und Ihre Regierung an unserer Seite haben, ist nichts weniger als ein historischer Glücksfall“, sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Joe Biden.
    „Dass wir – in diesem gefährlichsten Moment der europäischen Geschichte seit Ende des Kalten Krieges – Sie und Ihre Regierung an unserer Seite haben, ist nichts weniger als ein historischer Glücksfall“, sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Joe Biden. © AFP | Ralf Hirschberger

    Das deutsche Staatsoberhaupt erinnert an die Rolle Bidens bei der Unterstützung der Ukraine gegen Wladimir Putin: „Dass wir – in diesem gefährlichsten Moment der europäischen Geschichte seit Ende des Kalten Krieges – Sie und Ihre Regierung an unserer Seite haben, ist nichts weniger als ein historischer Glücksfall.“ Als Außenminister suchte Steinmeier stets den Ausgleich gegenüber Russland und Putin. Ohne die US-Hilfe für die Ukraine wäre das Land längst von Putins Truppen erobert, da sind sich Steinmeier und Scholz heute sicher.

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    Die Unsicherheit liegt deswegen trotz aller Feierlichkeit schwer über diesem sonnigen Tag. Ein Sieg des Republikaners Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl gegen Bidens Stellvertreterin Kamala Harris würde nicht nur die Grundlagen der deutsch-amerikanischen Beziehungen erschüttern. Während seiner ersten Amtszeit war Deutschland mit seiner starken Wirtschaft und damals noch weit unter den Nato-Vereinbarungen liegenden Verteidigungsausgaben ständiges Ziel von Trumps Verbalattacken und Wutanfällen.

    Ukraine: Trump könnte die US-Hilfe einstellen

    „Amerika ist für uns unverzichtbar“, sagt Steinmeier bei der Ordensverleihung an Biden im Schloss Bellevue. „Ich hoffe aber auch, dass die Amerikanerinnen und Amerikaner sich erinnern: Eure Verbündeten sind für euch unverzichtbar. Wir sind mehr als nur ‚andere Länder‘ auf der Welt – wir sind Partner, wir sind Freunde.“ Es klingt, als richte sich der Bundespräsident mit diesen Worten bereits an Trump.

    Dessen Rückkehr ins Weiße Haus könnte auch die Sicherheitslage in Europa dramatisch verändern. Unter Biden leisteten die USA der Ukraine nach dem russischen Angriff mit Abstand die größte militärische Unterstützung. Trump hat angedroht, diese Hilfe einzustellen. Wollen die Europäer die Ukraine davor schützen, auf kurz oder lang von Putins Truppen erobert zu werden, müssten sie ihre Waffenlieferungen bedeutend aufstocken. Fällt die Ukraine, steht aber auch die Zukunft weiterer Staaten und somit der Frieden auf dem gesamten Kontinent infrage.

    Biden nimmt nicht nur Abschied. Er erteilt auch einen Auftrag

    Der britische Premierminister Keir Starmer, US-Präsident Joe Biden, Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Kanzleramt (v. l. n. r.)
    Der britische Premierminister Keir Starmer, US-Präsident Joe Biden, Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Kanzleramt (v. l. n. r.) © AFP | Tobias Schwarz

    Damit kommt Scholz, aber auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und dem britischen Premier Keir Starmer, eine besondere Verantwortung zu. Macron und Starmer kommen beiden an diesem Freitag eigens nach Berlin, um nach den Worten von Scholz mit Biden „über die schwierige Weltlage“ zu beraten. Der Besuch von Biden ist somit nicht nur ein Abschied, er ist auch ein Auftrag.

    Die Europäer müssten stärker Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen, ist Bidens Botschaft. Der US-Präsident hebt hervor, dass Deutschland schließlich das Nato-Ziel erfülle, zwei Prozent der nationalen Wirtschaftskraft für Verteidigung auszugeben. „Bitte machen Sie weiter so“, mahnt Biden. „Das ist wichtig.“ Zudem warnt der US-Präsident, bei der Unterstützung der Ukraine nicht nachzulassen, auch wenn der Preis hoch sei. „Aber dies verblasst im Vergleich zu dem Preis, den es bedeuten würde, in einer Welt zu leben, in der Aggression vorherrscht und in der große Staaten kleinere Staaten angreifen und schikanieren – einfach, weil sie es können.“ Es ist Bidens Warnung an die Europäer.

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