Brüssel. Die Fehlerquote bei den Ausgaben aus dem EU-Haushalt steigt. Der EU-Rechnungshof ist besorgt – auch wegen Risiken bei der Ukrainehilfe.
Die Europäische Union gibt immer mehr Geld vorschriftswidrig aus. Allein im vergangenen Jahr wurden schätzungsweise zehn Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt fehlerhaft verwendet, beklagt der Europäische Rechnungshof in seinem neuen Jahresbericht für 2023. Der Trend sei „besorgniserregend“, erklärten die Prüfer bei der Vorlage des Berichts. Bei den Ausgaben aus dem EU-Haushalt in Höhe von insgesamt 191,2 Milliarden Euro im vorigen Jahr stieg demnach die stichprobenartig ermittelte Fehlerquote auf 5,6 Prozent an – im Jahr zuvor hatte sie noch bei 4,2 Prozent gelegen, 2021 bei 3 Prozent. Die Prüfer halten bereits eine Überschreitung von zwei Prozent bei der Fehlerquote für problematisch.
Außerdem gebe es Unregelmäßigkeiten bei einem Teil der 48 Milliarden Euro, die im Rahmen der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) – der wichtigsten Säule des Corona-Wiederaufbaufonds – ausgegeben wurden. Die Prüfer stießen auf Zahlungen, für die nicht alle Bedingungen erfüllt waren, und Schwachstellen in den Kontrollsystemen der EU-Länder.
Der Rechnungshof warnte zugleich auch vor den steigenden finanziellen Risiken für den EU-Haushalt aufgrund von Schulden in Rekordhöhe – durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die hohe Inflation. Die Finanzhilfe für die Ukraine habe sich 2023 mehr als verdoppelt und liege jetzt bei 33,7 Milliarden Euro. Das Risiko von Zahlungsausfällen, die den EU-Haushalt belasteten, werde in die Zukunft verlagert.
Der EU-Schuldenstand hat sich dem Bericht zufolge seit 2021 auf 458,5 Milliarden Euro verdoppelt, die EU ist jetzt einer der größten Emittenten von Schuldtiteln in Europa. Dabei sei unklar sei, ob der Finanzierungsvorschlag der Kommission überhaupt ausreichende Einnahmen zur Rückzahlung der Schulden einbringen werde. Andernfalls müssen wohl die EU-Staaten einspringen.
EU-Rechnungshof warnt vor Vertrauensverlust
Rechnungshof-Präsident Tony Murphy sagte, der Jahresbericht zeige „zentrale Herausforderungen“ für den EU-Haushalt. „Wir brauchen sowohl auf Ebene der Mitgliedstaaten als auch auf EU-Ebene solide Aufsichts- und Rechenschaftsmechanismen, damit wir das Vertrauen der Öffentlichkeit nicht verspielen und um künftige EU-Haushalte abzusichern“, meinte Murphy.
Der Anstieg der Fehlerquote bei den EU-Ausgaben wird vor allem durch vorschriftswidrige Verwendung der sogenannten Kohäsionsmittel zur Regional- und Strukturförderung verursacht – hier wird fast jeder zehnte Euro fehlerhaft investiert, was einen Anstieg der Fehlerquote binnen eines Jahres um knapp die Hälfte bedeutet. Als möglichen Grund für die Schwierigkeiten, die Finanzierung von Kohäsionsprojekten korrekt abzuwickeln, nennt der Prüfbericht den Zeitdruck, der auf den nationalen Behörden lastet, wenn es darum gehe, Gelder aus miteinander konkurrierenden Fonds auszugeben.
Die geschätzte Fehlerquote ist nach Angaben des Rechnungshofs aber kein Maß für Betrug, Ineffizienz oder Verschwendung. Es handele sich um eine Schätzung der Beträge, die nicht gemäß den Vorschriften der EU und der Mitgliedstaaten verwendet wurden. Schon bei ihren Stichproben sind die Prüfer aber auch auf 20 Fälle gestoßen, in denen sie Betrug vermuteten. Diese Fälle seien den zuständigen EU-Behörden für weitere Ermittlungen gemeldet worden.