Düsseldorf. Am Montag sollen zwei wichtige Zeugen im OVG-Untersuchungsausschuss vernommen werden. Plötzlich steht die Aussagegenehmigung in Frage.
Die Opposition im Landtag wirft NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) eine Sabotage der Aufklärungsarbeitet des Untersuchungsausschusses zur „Kungel-Affäre“ rund um den Spitzenposten des Oberverwaltungsgerichts (OVG) vor. Es geht dabei um die Aussagegenehmigung für wichtige Zeugen aus dem Ministerialapparat.
Am Montag sollen zum Start der Vernehmungen im Untersuchungsausschuss eigentlich zwei Spitzenbeamte aus dem Justizministerium aussagen. Sie hatten im Frühjahr 2023 den umstrittenen Besetzungsvorschlag für das OVG-Präsidentenamt in Münster erarbeitet. Eine Duz-Bekanntschaft und frühere Richter-Kollegin von Limbach, die seit Jahren nicht mehr in der Justiz arbeitet und ihr Interesse an dem Job bei einem privaten Abendessen mit dem Minister vorgebracht hatte, war als „hervorragend geeignet“ nominiert worden.
OVG-Präsidentenamt in NRW: Bewerbung beim Privatdinner mit dem Minister
Nach monatelangem Rechtsstreit hatte das Bundesverfassungsgericht Ende August in einem spektakulären Beschluss diese Auswahlentscheidung aufgehoben und die Sache an das OVG zurückverwiesen. Dort müsse noch einmal intensiver geprüft werden, „ob tatsächlich eine unzulässige Vorfestlegung des Ministers gegeben war“, urteilte Karlsruhe.
Parallel dazu läuft die politische Aufarbeitung im Untersuchungsausschuss, der gerichtsähnliche Befugnisse hat. Die am Montag geladenen Zeugen sollten unter strafbewehrter Wahrheitspflicht darlegen, ob sie politisch beeinflusst wurden.
Normalerweise sind Aussagegenehmigung des Ministers für Beamte im Zeugenstand eines Untersuchungsausschusses eine Formalie. Wie erst jetzt bekannt wird, hat das Justizministerium mit Schreiben vom 13. September jedoch das OVG eingeschaltet.
Grundsätzlich könne die Aufklärung in einem Untersuchungsausschuss und in einem gerichtlichen Verfahren zwar parallel stattfinden, heißt es in dem dreiseitigen Brief, der unserer Redaktion vorliegt. Die Beurteilung ein und desselben Sachverhalts erfolge in beiden Verfahren ja unabhängig voneinander. Zugleich werde aber auf „die Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber dem laufenden gerichtlichen Verfahren“ verwiesen. Sprich: Limbach legt dem OVG geradezu nahe, ein Veto gegen die Aussagegenehmigung einzulegen.
Karlsruhe hat die umstrittene OVG-Besetzung in NRW aufgehoben
Tatsächlich äußert das Gericht mit Schreiben vom 23. September, dass eine Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss „aus Gründen der Rücksichtnahme gegenüber dem laufenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unterbleiben“ solle. Zumindest die für den Besetzungsvorschlag verantwortliche Referatsleiterin könnte so am Montag nicht vernommen werden.
In Justizkreisen ist von einem „unerhörten Vorgang“ die Rede. Dass die eine Staatsgewalt der anderen vorschreibt, wie man eine politische Affäre aufklärt, sei noch nie dagewesen. „Wir sind über dieses Vorgehen des Justizministers mehr als verwundert. Es ist allein seine Aufgabe, über Aussagegenehmigungen für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entscheiden“, sagte die SPD-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Nadja Lüders. In dieser Frage das Oberverwaltungsgericht „einzuspannen“, lasse sich nicht anders deuten als der Versuch, die Aufklärung zu behindern. „Auf diese Weise droht die Arbeit des Ausschusses in eine nicht enden wollende Hängepartie auszuarten“, warnte Lüders.
Das letzte Wort hat der Ausschussvorsitzende Klaus Voussem (CDU), der an diesem Donnerstag in nicht-öffentlicher Sitzung das weitere Vorgehen mit den Fraktionen beraten wird. Der erfahrene Landtagsabgeordnete könnte an der Zeugenladung festhalten und dem OVG hinterher die Aussageprotokolle als gerichtsverwertbar zur Verfügung stellen.
Für Limbach steht viel auf dem Spiel. Im Raum steht eine „manipulative Verfahrensgestaltung“. Höchste Richterstellen der unabhängigen Justiz werden in NRW zwar von der Landesregierung besetzt, allerdings muss dem eine transparente „Bestenauslese“ vorgeschaltet werden, damit sich die Politik keine „genehme“ Kontrollinstanz schaffen kann.
Allein Limbach persönlich führte zwischen Juli 2022 und April 2023 neun Bewerbergespräche mit Kandidaten für das OVG-Präsidentenamt. Weitere fünf Gespräche führte der eigentlich gar nicht zuständige Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU). Dabei wurden offenbar Konkurrenten der Limbach-Bekannten zur Bewerbungsaufgabe gedrängt.
Nach Karlsruhe getragen hat die dubiosen Umstände ein angesehener Bundesrichter, der übergangen worden war. Er konnte in einer „Eidesstattliche Versicherung“ darlegen, wie er vom Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsgruppe, Ansgar Heveling, bearbeitet wurde. „Herr Heveling unterrichtete mich, dass man sich in Koalitionskreisen in Düsseldorf wünsche, dass eine Frau OVG-Präsidentin werde. Dies sei vor allen Dingen ein Wunsch der Grünen“, heißt es in der „Eidesstattlichen Versicherung“ wörtlich. Heveling hatte zuvor Staatskanzleichef Liminski „angeboten, mich mit dem Bewerber, der als Bundesrichter tätig ist, über das OVG NRW auszutauschen“.