Berlin. Deutschland droht sein „Markenzeichen“ zu verlieren, befürchtet der oberste Krankenhausvertreter. Was er mit dieser Warnung meint.

Das deutsche Gesundheitssystem droht sein „Markenzeichen“ zu verlieren. Das zumindest befürchtet der Vorstandschef er Deutschen Krankenhausgesellschaft, der vor steigenden Kosten und wachsenden Defiziten in der Patientenversorgung warnt. Und das könnte konkrete Auswirkungen auf Menschen haben, die auf einen Operationstermin warten.

So könnten Wartelisten für planbare Operationen eingeführt werden, warnt Gerald Gaß gegenüber der „Augsburger Allgemeinen.“  „Das deutsche Gesundheitssystem droht sein Markenzeichen zu verlieren, dass Patienten – egal ob gesetzlich oder privat versichert – einen schnellen Zugang zu Krankenhäusern mit einer guten Auswahl haben.“

Inflation und Lohnerhöhungen: Kliniken warnen vor Einschränkungen

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    Krankenhäuser: Gaß erwartet Defizit von sechs Milliarde Euro

    Gaß betonte, dass sich die Kliniken in einer existentiellen Lage befänden. „Jede zweite Klinik plant notgedrungen eine Verschärfung der Sparmaßnahmen, die mitunter versorgungsrelevante Bereiche betreffen“, so der Verbandschef. Er rief Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dazu auf, die Vergütungen der Krankenkassen an die gestiegene Inflation und Lohnerhöhungen anzupassen. „Ohne einen Ausgleich für diese Inflationsfolgen sind immer mehr Häuser in ihrer Existenz bedroht“, so Gaß, der im laufenden Jahr ein Defizit der Kliniken von sechs Milliarden Euro erwartet.

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    Lauterbach hingegen verneinte, dass Patienten in Deutschland eine Wartelistenmedizin drohe: „Wir sind davon weit entfernt“, sagte der SPD-Politiker am Montag beim Krankenhausgipfel der Deutschen Krankenhausgesellschaft. In Deutschlands Krankenhäusern werde zu schnell und zu viel operiert. Es wäre ein Segen, wenn 20 Prozent weniger Eingriffe nicht oder ambulant durchgeführt würden. Eine Krankenhausreform sei als alternativlos, so Lauterbach. Es gebe in Deutschland zu viele Krankenhäuser, zu viele stationäre Behandlungen und zu wenig Personal für so viele Häuser.

    Lauterbach sieht Krankenhäuser auf dem Land nicht bedroht

    Die von Lauterbach im Kabinett eingebrachte Krankenhausreform soll finanziellen Druck für die Kliniken mindern und einheitliche Qualitätsregeln verankern. Dafür soll die Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle geändert werden. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen genauer definierte „Leistungsgruppen“ sein, die Mindestvoraussetzungen festlegen.

    Gaß forderte die Länder auf, das Gesetz im Bundesrat zu blockieren und dann in einem Vermittlungsverfahren grundlegend zu verbessern. Lauterbach hingegen hofft, sich zeitnah einigen zu können, ohne den Vermittlungsausschuss anzurufen. Er kündigte zugleich weitere zusätzliche Milliarden für die Kliniken für die Übergangszeit an, bis die Reform greift. 2023 und 2024 erhielten die Häuser zusätzlich mehr als 20 Milliarden Euro, unter anderem, um Tarifsteigerungen rückwirkend auszugleichen, sagte der Minister. Rechne man 2025 ein, könnten die Krankenhäuser mit rund 30 Milliarden zusätzlich rechnen.

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    Einrichtungen im ländlichen Raum sieht er nicht gefährdet: Krankenhäuser, die als bedarfsnotwendig eingeschätzt würden, erhielten ausreichende Zuschläge. Über die Höhe könne weiterhin verhandelt werden. Die im Zuge der Reform ausgehandelten Qualitätskriterien würden in diesen Bereichen ausgesetzt. Die Krankenhausreform soll im neuen Jahr in Kraft treten. Der Bundestag soll sie am 18. Oktober abschließend beraten.