Berlin. In Sachsen und Thüringen muss die CDU mit der Wagenknecht-Partei regieren. Schlimm genug für Parteichef Merz. Es könnte nur der Anfang sein.

Friedrich Merz kommt aus dem Hochsauerland, er kennt das vom Wandern, diesen maximalen Frustmoment: Es geht steil bergauf, es kostet alle Kraft – und dann ist man endlich oben auf dem Berg und trotzdem noch nicht am Ziel, sondern sieht nur neue, noch höhere Gipfel. So ist das auch mit den Ostwahlen: Die CDU hat bis zur letzten Minute gekämpft, hat ihr Wahlziel in beiden Ländern erreicht  – und steht nun doch vor einem Riesenproblem. Genauer: vor einem Problemmassiv, gegen das der Himalaja eine Hügelkette ist.

Problem Nummer eins: Die CDU muss mit Sahra Wagenknecht regieren. Problem Nummer zwei: In Thüringen brauchen sie dazu voraussichtlich sogar die Linke. Problem Nummer drei: Merz‘ Autorität als potenzieller Kanzlerkandidat. Schon einmal ist eine CDU-Chefin krachend gescheitert, weil sie in Thüringen politisch unter die Räder kam. Annegret Kramp-Karrenbauer trat zurück, weil die Thüringer CDU gegen ihren Willen und zusammen mit der AfD den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten gewählt hatte.

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    Merz hat nicht nur ein Problemland. Es sind gleich zwei. In Sachsen kann CDU-Wahlsieger Michael Kretschmer nur dann weiterregieren, wenn er ein Bündnis mit der Wagenknecht-Partei schmiedet. Alle anderen Optionen scheiden aus – für eine Fortsetzung der Kenia-Koalition mit SPD und Grünen reicht es nicht. Und ein Bündnis mit der AfD schließt die CDU in Bund und Ländern aus.

    Wagenknecht und Merz? Das ist die einzige Option

    Kretschmer und das BSW – für Merz ist das auch deshalb ein Problem, weil sich der CDU-Mann in Sachsen am Ende sogar zu gut mit dem BSW verstehen könnte, zumindest was die Russland-Politik angeht. Waffenruhe, rasche Verhandlungen, auf Putin zugehen, wieder russisches Gas beziehen: Da sind sich Kretschmer und Wagenknecht näher als Kretschmer und Merz.   

    Politik-Korrespondentin Julia Emmrich.
    Politik-Korrespondentin Julia Emmrich. © Anja Bleyl | Anja Bleyl

    In Thüringen ist die Lage noch brisanter: CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt ist als Zweiter hinter der AfD ins Ziel gegangen. Weil niemand mit der Höcke-Partei regieren will, ist Voigt am Zug. Sein Problem: Ihm fehlen die Partner für ein stabiles Bündnis. Selbst wenn sich CDU, SPD und Wagenknecht-Partei zusammentun – es reicht nur für eine Minderheitsregierung.

    AfD: Hält die Brandmauer auf der rechten Seite?

    CDU und BSW in einer Koalition – das allein ist für Merz schon der blanke Horror. In Thüringen aber stellt sich jetzt die Frage: Muss die CDU sich auch noch von der Linken tolerieren lassen? Und wenn ja – was folgt daraus? Eines ist jedenfalls sicher: Sollte die CDU ihren Uvereinbarkeitsbeschluss aufweichen und sich quasi gleichzeitig mit Linkspopulisten und Alt-Linken einlassen, werden die Dämme auch auf der rechten Seite weich – die Brandmauer zur AfD wird nur schwer zu halten sein. Merz muss fürchten, dass er bald eine zerstörerische Debatte am Hals hat: die Diskussion um Bündnisse mit der AfD. Und damit genau das, was er im Bundestagswahlkampf überhaupt nicht gebrauchen kann.

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    Für Merz geht es jetzt um alles: Steuert er seine Partei souverän durch die unübersichtliche Lage, kann ihm die Kanzlerkandidatur niemand mehr nehmen. Schlingert er, verliert er die Kontrolle über die Debatte, dann wackelt er selbst. Die kommenden Tage und Wochen werden für Merz die entscheidende Phase seiner Karriere sein. Klar ist jetzt schon: Wenn Merz Kanzlerkandidat wird, geht er mit einem schweren Rucksack in den Wahlkampf – es ist ein 100 Kilo schweres Glaubwürdigkeitsproblem.

    Konkret: Wer munter mit dem BSW regiert, kann unmöglich gleichzeitig den Grünen die Bündnistauglichkeit absprechen. Und: Wer mit dem BSW regiert, muss höllisch aufpassen, dass er zur Bundestagswahl nicht mit einer Debatte aufwacht, in der auch die AfD ins Spiel kommt.

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