Berlin. Die Wahlen in Thüringen und Sachsen können zur Zäsur für Olaf Scholz werden. Warum der Kanzler dennoch von seiner Wiederwahl redet.

Olaf Scholz ist auf der Suche nach einem Weltreisenden. Der soll am besten gar nicht mitbekommen haben, was seit seinem Amtsantritt als Kanzler vor drei Jahren in Deutschland alles passiert ist. „Wenn jemand 2021 eine lange Weltreise angetreten hätte, ohne Handyempfang und Mediennutzung, und jetzt nach Deutschland zurückkäme“, sagte Scholz gerade dem „Spiegel“, „wäre er von der Leistungsbilanz unserer Regierung wohl beeindruckt.“

Was der Kanzler damit sagen will: Die Ampel-Koalition sei viel besser als ihr Ruf. Olaf Scholz ist der Ansicht, dass hierzulande viel zu viel und viel zu schnell alles zerredet wird. Der Weltreisende könnte den Bürgerinnen und Bürgern aber einmal erklären, wie enorm sich Deutschland unter der Ampel-Regierung zum Guten verändert habe. Das Problem von Olaf Scholz ist, dass er diesen Rückkehrer wohl nicht finden wird – und schon gar nicht mehr vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am Sonntag.

Sachsen und Thüringen: Die Ampel fürchtet ein Horrorszenario

Die Menschen dort waren nicht für drei Jahre verreist. Der Ampel-Koalition steht wohl ein Wahltag bevor, der in die Geschichtsbücher eingehen dürfte. Dem letzten ZDF-Politbarometer zufolge liegt die SPD in Sachsen und in Thüringen bei jeweils sechs Prozent Zuspruch, die Grünen erreichen sechs Prozent in Sachsen und würden in Thüringen mit vier Prozent nicht in den Landtag kommen. Die FDP wird in beiden Umfragen schon gar nicht mehr mit einem eigenen Balken ausgewiesen.

Bewahrheitet sich diese Stimmung am Wahltag, ist das eine Katastrophe für die Koalition. Das – durchaus denkbare – Horrorszenario für die Ampel wäre aber, wenn in beiden Landtagen keine der drei Parteien künftig noch vertreten wäre. Für das Ergebnis dürfte es eine Rolle spielen, ob der Messeranschlag von Solingen noch mehr Menschen zu CDU, AfD und BSW treibt. Oder ob die Wähler das zügig verabschiedete „Sicherheitspaket“ der Ampel und den just vorm Wahlwochenende organisierten Abschiebeflug nach Afghanistan SPD, Grünen und FDP honorieren.

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    Darauf wetten würde wohl niemand in der Koalition. Und so bereiten sich die Parteien auf einen Montag nach der Wahl vor, an dem sie wieder einmal die eigene Ratlosigkeit erklären müssen. Dass die Koalition darüber zerbricht, ist nicht zu erwarten. Denn keiner der drei Partner hat das Interesse, sich in der aktuellen Stimmung im Bund zur Wahl zu stellen. Für Scholz dürfte der Wahlsonntag jedoch zu einer Zäsur seiner Kanzlerschaft werden. Ihm droht das Etikett: Kanzler auf Abruf.

    Nun sind Thüringen und Sachsen nicht repräsentativ für Gesamtdeutschland. Vor der für den September 2025 angesetzten Bundestagswahl die Stimmung aber noch entscheidend zu drehen, scheint aus aktueller Sicht illusorisch. Mit dem Nahen des Wahltags dürften eher die Spekulationen zunehmen, ob die SPD nicht doch auf einen anderen Kanzlerkandidaten setzt als auf Olaf Scholz. Bisher ist allerdings niemand in Sicht, der diese Palastrevolte anführen könnte.

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    Denn Scholz selbst gibt sich überzeugt, dass er es noch einmal schaffen kann, die SPD zum Wahlsieg zu führen. „Ich bin gern Kanzler. Mein Ziel ist es, dass die SPD möglichst stark wird und auch die nächste Regierung anführt“, sagt er im „Spiegel“-Interview. „Die politische Landschaft bei uns ist in Bewegung. Ich bin zuversichtlich, dass uns das wieder gelingen wird.“ Bis zur Wahl sind es noch 13 Monate. Vielleicht findet Olaf Scholz bis dahin den Weltreisenden, der ihn erneut ins Kanzleramt loben kann.

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