Berlin. Bei Wahlspots haben kleinere Parteien nicht viele Schüsse frei. „Die Partei“ holt das Maximum raus – dank der unfreiwilligen Hilfe des MDR.
In einem Wahlspot im Radio schießt ein Mann auf mutmaßliche AfD-Anhänger. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) will ihn nicht senden, wird aber gerichtlich dazu verpflichtet. Juristen interpretieren das Urteil – der Spot ist Tagesgespräch, das Medienecho groß.
Beste Werbung für „Die Partei“ im sächsischen Wahlkampf. Martin Sonneborn – Satiriker, Journalist, Politiker, Herausgeber von „Titanic“ – landet einen Coup: Das tagelange Kräftemessen vor Gericht und in der Öffentlichkeit verschafft einem Spot Publizität, der sich sonst womöglich „versendet“ hätte. Ist der MDR ihm auf den Leim gegangen?
Sonneborns Beitrag und das Werk des MDR
Der Sender verlor zweimal: erst vor dem Verwaltungsgericht Leipzig, danach vor dem Oberverwaltungsgericht in Bautzen. Am Donnerstag wurde der Spot um 12.56 Uhr im „MDR Sachsen – Das Sachsenradio“ erstmals gesendet.
Die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich oft gegen fragwürdige Werbebotschaften gewehrt und meist das Nachsehen gehabt. Die Parteien haben einen Anspruch darauf. Die Sender sind gehalten, die Meinungsfreiheit weit auszulegen. Grob gesagt: im Zweifel für die Partei. Der Grundgedanke ist, dass gerade kleine Parteien – kommen selten medial vor – eine Chance auf Aufmerksamkeit erhalten.
Die Satiriker haben ihre Grenzen ausgelotet
In Sachsen wird am 1. September gewählt. Die Zahl der Werbeauftritte richtet sich nach der Stärke der Parteien, die kleinsten unter ihnen kommen auf mindestens zwei Spots pro Sender. Vor fünf Jahren kam „Die Partei“ auf 33.618 Stimmen, damals 1,6 Prozent. Sonneborns Leuten wussten, dass sie bei der Werbung nicht allzu viele Schüsse freihatten – die müssen dann sitzen.
Im Laufe der Jahre hat „die Partei“ ihre Grenzen ausgelotet. 2019 wollte sie zur Europawahl ihren „Slot“ beim ZDF der Seenotrettungsorganisation „Sea Watch“ überlassen, der einen ertrinkenden Jungen zeigte. Der Spot wurde vom ZDF abgelehnt – zurecht, weil es keine Wahlwerbung war. Daraufhin ließ Sonneborn eine Texttafel einblenden: „Wählen Sie Die Partei. Denn sie gibt den wichtigen Themen Aufmerksamkeit.“ Das war dann wiederum zulässig.
Richter nehmen den Spot nicht ernst
Die Wahlwerbung in Sachsen ist grenzwertig. Der MDR wehrte sich, weil der Spot „ein menschenverachtendes und strafrechtlich relevantes Verhalten darstellt“, wie ein Sprecher des MDR unserer Redaktion erklärte. Die Richter befanden, für eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten fehle es „an der erforderlichen Ernstlichkeit“.
Das Geschehen im Spot „diesmal schießen wir zuerst“ sei „satirisch stark überzeichnet“. Auch eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung scheide aus. Die Wählerinnen und Wähler einer bestimmten Partei bildeten keine abgrenzbare Bevölkerungsgruppe, die Opfer von Volksverhetzung sein könnte.
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In der 88 Sekunden langen Wahlwerbung – welch Zufall – hört ein Ehepaar im Radio die fiktive Vereidigung der neuen Regierung im Freistaat. In starkem Dialekt stellt der Mann fest, dass die „Faschisten wieder an der Macht“ seien. „Diesmal schießen wir zuerst“, sagt er und schon knallen wahllos die ersten Schüsse. „Bei 50 Prozent wird es schon die Richtigen treffen.“ Der Spot endet mit der Aufforderung, „Die Partei“ zu wählen, bevor es zu spät sei.
Diesen Wahlwerbespot von "Die Partei" zur Landtagswahl in #Sachsen muss der MDR, gerichtlich bestätigt, ausstrahlen. Meinungen? https://t.co/nWWVIrfW3D
— Franz Branntwein™ 🍀 (@FranzBranntwe10) 17. August 2024