Berlin. Eine Partei gegen massive Ungleichheit und das Erstarken der Rechten wird eigentlich gebraucht. Doch die Linke liegt am Boden. Nur eines könnte ihr hochhelfen.

Eigentlich müssten es Glanzjahre der Linken sein. Die Ungleichheit in Deutschland ist so gravierend, dass sich im Frühjahr sogar der Europarat einschalten musste. Die Hälfte der Menschen in Deutschland besitzt zusammen 2,3 Prozent am Gesamtvermögen, während den oberen zehn Prozent mehr als 60 Prozent gehört.

Mehr Gerechtigkeit, Vermögenssteuer, Profite deckeln – all das sind Parolen der Linkspartei, die auf Wahlplakaten an Straßenrändern oder Fußgängerzonen stehen. Nicht nur das: Ein großer Teil der Menschen in Deutschland sieht die Waffenlieferungen an die Ukraine in dem bisherigen Umfang skeptisch. Während sich die Grünen als einstige Friedenspartei klar hinter den Hilfen für die Ukraine sammeln, ruft die Linke laut: Verhandlungen statt Panzer!

Fehlender Erfolg: Linken-Führungsduo kündigt Rückzug an

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    Nur hört sie niemand. Die Partei landet in Umfragen weit unterhalb der Armutsgrenze. Selbst in ihrer einstigen Bastion Thüringen, wo sie noch den Ministerpräsidenten stellt und wo bald wieder gewählt wird, ist sie seit der vergangenen Wahl um die Hälfte der Stimmenanteile geschrumpft. Im Bundestag musste sich die Fraktion auflösen.

    Die Partei ist in der politischen Todeszone angekommen, es besteht akuter Sauerstoffmangel. Genau in dieser Situation aber läuft die Spitze der Linken weg. Janine Wissler und Martin Schirdewan, die bisherigen Co-Vorsitzenden, kündigen ihren Rückzug an, wollen im Oktober nicht mehr kandidieren.

    Anders als die Linke hat es die radikale Rechte geschafft, sich erfolgreich im ideologischen Korsett des Nationalismus (wieder) zu vereinen. Das Narrativ des „bedrohlichen Fremden“ zog, zieht und wird ziehen, gerade in Zeiten, in denen Millionen Menschen aufgrund von Krieg zur Flucht gezwungen sind.

    Die Linkspartei konnte dem Aufstieg der extremen Rechten nie eine einende Erzählung entgegensetzen. Soziale Ungleichheit werten betroffene Menschen – geprägt von der Macht der liberalen Losung – mehr als „persönlichen Schicksalsschlag“ denn als „Klassenfrage“. Umverteilungsrhetorik wird regelmäßig torpediert durch das Schüren von Ängsten vor Wachstumsrückgängen und Abwanderung von Unternehmen. In diesem Zeitgeist hat die Linkspartei nie eine politische Agenda gefunden, die verfängt. Und an die eine substanzielle Zahl von Wählerinnen und Wählern glaubt.

    Christian Unger
    Christian Unger über den Rückzug von Janine Wissler und Martin Schirdewan vom Vorsitz der Linkspartei. © Reto Klar | Reto Klar

    Im Bundestag machen Linken-Politiker bisweilen akribische Oppositionsarbeit

    Hinzukommen außenpolitische Irrläufe in Richtung Moskau – und ein personeller Aderlass, der die Partei ausbluten ließ. Eine Nachfolge für die Linken-Legende Gregor Gysi wurde nie gefunden. Sogar Sahra Wagenknecht wird’s gewusst haben, mit der Linkspartei lässt sich kein Erfolg mehr feiern. Sie spaltete sich ab. Dass sich ihre Wählerschaft, umsorgt mit ordentlich populistischem Schmiermittel, geschmeidig irgendwo zwischen Apparat-Linker und Rechtsaußen-AfD wiederfindet, ist kein Zufall. Und zeigt, wie zersplittert ihre Ex-Partei ist, zwischen Antifa-Jugend, Kommunisten und Wagenknechtlern.

    NameSahra Wagenknecht
    Geburtsdatum16. Juli 1969
    Parteiehemals Die Linke (vormals SED und PDS), Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)
    Parteimitglied seit1989 (SED) bis 2023 (Die Linke), seit 2024 BSW
    Familienstandverheiratet, keine Kinder
    EhemannOskar Lafontaine
    WohnortMerzig (Saarland)

    Im Bundestag machen Politikerinnen und Politiker der Linken bisweilen akribische Oppositionsarbeit. In den Kommunen, vor allem im Osten, ist die Partei ein Bindeglied zwischen zivilgesellschaftlichem Engagement gegen Rechtsextreme und den parlamentarischen Institutionen. Es braucht dringend ein Gegengewicht zum Aufstieg der AfD. Eine wirkliche Idee gegen grassierende Ungleichheit in Deutschland.

    Ein Wiederaufbau der Linkspartei erscheint als Utopie, an die selbst Marxisten nicht mehr glauben. Die klugen Köpfe in den Fraktionen und den Verbänden der Partei sollten sich neue Spielfelder der Politik suchen: eine neue Partei gründen – liegt ja im Trend.

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