Moskau. Russland muss zusehen, wie westliche Reporter aus den von der Ukraine besetzten Gebieten berichten. Der Kreml reagiert mit Drohungen.

Im Kreml hatte man solche Bilder wohl nicht für möglich gehalten. Ein amerikanischer Reporter steht in der russischen Kleinstadt Sudscha vor einer teilweise zerstörten Lenin-Statue und spricht diesen Satz aus: „Die Demütigung für Putin geht weiter.“ Er wundert sich über die kaum vorhandene Gegenwehr. „Wo sind die Drohnen, die den Ukrainern das Leben zur Hölle gemacht haben? Sie sind nirgendwo zu sehen.“

Der CNN-Mann, der diese Sätze sagt, Nick Paton Walsh, ist Teil der Demütigung. Nicht nur, dass Russland vom Angriff auf die Region Kursk völlig überrascht wurde und seitdem nicht in der Lage ist, das Vorrücken der ukrainischen Truppen zu stoppen, jetzt stehen auch noch westliche Reporter auf russischem Territorium und dokumentieren das Versagen von Putins Truppen.

Moksau bestellt italienische Botschafterin nach TV-Bericht ein

Der Kreml reagiert angefressen. Weil zuvor auch die italienischen Journalisten Stefania Battistini und Simone Traini aus der Region berichtet hatten, bestellte Moskau die italienische Botschafterin ins Außenministerium.

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Der Botschafterin sei der „entschiedene Protest“ Russlands gegen die „Mannschaften eines Fernsehteams des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders RAI“ übermittelt worden, erklärte das Ministerium. Das Team sei „illegal nach Russland eingereist, um über den kriminellen Terroranschlag ukrainischer Soldaten auf die Region Kursk zu berichten“.

Der Bericht von Battistini und Traini war diese Woche ausgestrahlt worden. Es ging auch darin um die ukrainischen Soldaten in der russischen Stadt Sudscha. Die ukrainische Armee hat die Stadt, die etwa zehn Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt ist, nach Angaben Kiews vollständig unter ihre Kontrolle gebracht.

Kreml droht Reportern mit strafrechtlicher Verfolgung

Nach Angaben des russischen Außenministeriums müssen die beiden TV-Reporter mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Die zuständigen Stellen hätten bereits die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet, um die genauen Umstände „dieser Straftat zu ermitteln, eine rechtliche Beurteilung vorzunehmen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen“, erklärte das Ministerium. Ob sich andere Journalisten von diesen Drohungen abschrecken lassen, ist fraglich.

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Das Schweigen der russischen Kriegsgefangenen

Im Krisenmodus

Sorgen hat die russische Führung zudem eigentlich ganz andere. Denn die ukrainische Armee rückt laut eigenen Angaben in der Region Kursk immer weiter vor. „Die Einheiten der Angriffstruppe setzen ihren Kampf fort und sind in einigen Gebieten ein bis drei Kilometer weiter vorgedrungen“, sagte Oberbefehlshaber Oleksandr Syrsky bei einem Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenksyj am Freitag. Die Kämpfe würden an der gesamten Frontlinie fortgesetzt.

Er hoffe, bei Gefechten im etwa 13 Kilometer hinter der Grenze gelegegen Dorf Mala Loknya „viele Gefangene“ nehmen zu können. Selenskyj hatte zuvor gesagt, Gefangene sollten gegen in Russland inhaftierte ukrainische Kriegsgefangene ausgetauscht werden.

Experte: Ukrainische Offensive ist "Schmach für Putin"

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    Ukraine greift strategisch wichtige Brücken an

    Zudem gibt es Berichte, wonach die Ukraine mindestens eine Brücke über den Fluss Seim zerstört haben soll. Sollten die Brücken tatsächlich zerstört worden sein, wären die russischen Soldaten nahe dem Ort Gluschkowo von Versorgungswegen abgeschnitten, während aus dem Osten die ukrainischen Einheiten nachrücken. Russische Einheiten sollen bereits mit dem Errichten von mobilen Brücken begonnen haben, um einen strategischen Nachteil zu verhindern.

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    Die ukrainische Armee hatte am 6. August überraschend eine Offensive in der russischen Grenzregion Kursk begonnen. Angaben Syrskys vom Donnerstag zufolge nahm sie dabei bisher mehr als 1000 Quadratkilometer des Gebiets und 82 Ortschaften ein und drang „35 Kilometer tief“ jenseits der russischen Grenze vor. 

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