Düsseldorf. Fast sind die Sommerferien in NRW vorbei. Zeit für die traditionelle Schuljahres-Pressekonferenz. Für Eltern und Schüler wird es wieder ernst.

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hat zum Start ins neue Schuljahr angekündigt, dass Grundschulkinder bald mehr Deutsch- und Mathematikunterricht erhalten sollen.

„Das Ziel ist jeweils eine Stunde mehr in diesen Fächern in jeder Jahrgangsstufe“, sagte Feller am Donnerstag. Ab dem zweiten Halbjahr soll diese Reform greifen. Dann sollen in allen NRW-Grundschulen in den Klassen eins bis vier fast durchgehend sechs Stunden Deutsch und fünf bis sechs Stunden Mathematik pro Woche unterrichtet werden.

Das Ministerium greift dabei auf einen Trick zurück: So genannte „variable Förderstunden“ werden den Fächern Deutsch und Mathe fest zugeordnet. Die Schulen können also diese Förderstunden nicht mehr frei nutzen, sondern nur für Mathe und Deutsch.

NRW legt den Fokus auf die Grundschulen: Kinder sollen besser rechnen, schreiben, lesen

Die Ausweitung des Fachunterrichts für Deutsch und Mathe ist aus Sicht der Landesregierung ein weiterer wichtiger Schritt, um die Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen zu stärken. In Bildungsstudien hatten NRW-Grundschulkinder zuletzt schlecht abgeschnitten. Im vergangenen Jahr hatte NRW schon die verbindliche Lesezeit von 3 x 20 Minuten in der Woche in Grundschulen eingeführt.

Vorbereitung für das „Sprachstand-Screening“ von Kleinkindern läuft

Eine weitere Veränderung, die auf die Erhebung der Deutschkenntnisse von kleinen Kindern zielt, wird in den kommenden Monaten Fahrt aufnehmen. NRW bereitet ein landesweites „Screening“ für die Grundschulanmeldung vor. „Wir wollen systematisch den Sprachstand aller Kinder erfassen, um Probleme schon vor der Einschulung zu identifizieren“, erklärte Feller.

Das Schulministerium erprobe in diesem Jahr ein digitales Screening-Verfahren an 130 Grundschulen. Wenn der Test erfolgreich ist, soll das Werkzeug im Herbst 2025 allen Grundschulen bei der Anmeldung der Schulkinder zur Verfügung stehen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die Kinder dann auch verbindlich sprachlich gefördert werden, wie es zum Beispiel in Hamburg vor der Einschulung der Fall ist.

„Dafür fehlen noch die rechtlichen Grundlagen in NRW“, so Feller. Bis es die gebe, sollten Eltern die Ergebnisse des Screenings zum Anlass nehmen, ihre Kinder sprachlich fördern zu lassen und die heute existierenden Angebote anzunehmen.

Schon in diesem Jahr werde das NRW-Schulministerium den Grundschulen kostenfrei ein neues Testverfahren zur Erhebung des Sprachstandes, das von der Universität Halle-Wittenberg entwickelt wurde, zur Verfügung stellen. Es heißt „ILEA-T“ (Individuelle Lern-Entwicklungs-Analse in der Transition). Kinder, die im Herbst 2024 an Grundschulen angemeldet werden, könnten davon profitieren.

Wann kleine Kinder verbindlich Sprachförderung erhalten, ist noch nicht geklärt

Ziel sei aber eine gezielte Sprachförderung von Kindern im Kita-Alter ab dem Januar des Jahres, in dem die Einschulung erfolgt. In diesem halben Jahr sei es möglich, Defizite zu korrigieren. Eine Sprachförderung wie in Hamburg, die über ein Jahr geht, sei in einem so großen Bundesland wie NRW schwer umzusetzen. Der Stadtstaat Hamburg habe im Vergleich zu NRW nur wenige Schulen.

Grundschul-Lehkräfte müssen sich nicht mehr mit Arbeitsplänen plagen

Grundschul-Lehrkräfte sollen im neuen Schuljahr „deutlich von überbordenden Dokumentationspflichten entlastet werden“, stellte Feller in Aussicht. Ab sofort müssten die Grundschulen keine Arbeitspläne mehr erstellen, könnten es aber, wenn sie es wollten. „Die Arbeitspläne in ihrer bisherigen Form bedeuten einen enormen Arbeitsaufwand für die Lehrerinnen und Lehrer, und das Verhältnis von Aufwand und Nutzen war manchmal zweifelhaft“, sagte die Ministerin.

Zum neuen Schuljahr beginnt auch das bundesweite Startchancen-Programm. In NRW wurden zunächst 400 Schulen für eine Förderung ausgewählt. Insgesamt sollen hier 920 Schulen in schwierigen sozialen Lagen gezielt unterstützt werden. Dafür stellt der Bund in den kommenden zehn Jahren rund 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Land will ebenso investieren.

Nächste Woche geht es für gut 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler an mehr als 5.400 Schulen wieder los mit dem Unterricht. Das sind nach Angaben des Düsseldorfer Schulministeriums rund 45.000 Kinder und Jugendliche mehr als noch im zurückliegenden Schuljahr.

Mehr I-Dötzchen am Start

Nach der aktuellen Schülerzahlprognose werden für das Schuljahr 2024/25 insgesamt rund 180.000 Schülerinnen und Schüler in den ersten Klassen der öffentlichen und privaten Grundschulen erwartet. 2023/24 waren laut den amtlichen Schuldaten rund 4000 Kinder weniger eingeschult worden.

Noch sind die Stühle in den Schulen in NRW unbesetzt. Doch schon bald werden sich die Klassenzimmer wieder füllen. Die Sommerferien enden.
Noch sind die Stühle in den Schulen in NRW unbesetzt. Doch schon bald werden sich die Klassenzimmer wieder füllen. Die Sommerferien enden. © dpa | Bernd Weißbrod

Erstklässler können am Mittwoch oder am Donnerstag mit Zuckertüte und neuen Ranzen ihren ersten Schultag feiern. Alle anderen beginnen das neue Schuljahr nach sechseinhalb Wochen Sommerferien am Mittwoch.

Lehrergewerkschaften erinnern an den dramatischen Lehrkräftemangel in NRW

Lehrergewerkschaften wie der Verband Bildung und Erziehung (VBE) und Lehrer NRW begrüßten die Ausweitung des Deutsch- und Mathematikunterrichts in Grundschulen und die Vorbereitungen für ein landesweites Sprachstands-Screening bei der Grundschulanmeldung. Heikle Themen wie zum Beispiel Lehrkräftemangel habe die Landesregierung bei der Pressekonferenz zum Start ins Schuljahr aber „großzügig umschifft“, kritisierte Sven Christoffer, Landesvorsitzender von Lehrer NRW. VBE-Landeschef Stefan Behlau fordert vom Schulministerium, sich bei den umstrittenen Abordnungen von Lehrkräften möglichst zurückzuhalten. 

Umstrittene Lehrerabordnungen

Bei der traditionellen Pressekonferenz zum Schuljahresauftakt wurde auch der jüngste Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster zu Lehrerabordnungen an unterversorgte Schulen in NRW thematisiert. Das Gericht hatte die umstrittene Praxis in der vergangenen Woche in zwei Fällen mit der Begründung gestoppt, die Auswahlkriterien seien nicht sachgerecht gewesen.

Damit hatten Eilanträge einer Grundschullehrerin und eines Gymnasiallehrers Erfolg. Grundsätzlich sei damit das Instrument der Abordnung aber nicht gekippt worden, hatte das Schulministerium betont und wiederholte dies am Donnerstag.

Ministerin zu Problemen bei den Abordnungen: „Es war ein Anwendungsfehler“

„Das Gericht hat nicht die Maßnahme Abordnung in Zweifel gezogen. Im Gegenteil. Es ist aber zu einem Anwendungsfehler gekommen. Ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht, die Bezirksregierung Münster habe leichtfertig gehandelt. Sie hat sich viel Mühe gegeben“, so die Ministerin.

Die Landesregierung habe den Bezirksregierungen schon im Jahr 2023 Auswahlkriterien an die Hand gegeben wie zum Beispiel Schwerbehinderung, Pflege von Familienangehörigen oder Alleinerziehende. Viele Schulen hätten der Bezirksregierung Münster aber signalisiert, dass sie lieber selbst über Abordnungen entscheiden wollten. „Das Ergebnis war ein zweistufiges Verfahren: Erstens sollten Schulen der Bezirksregierung Vorschläge für Abordnungen machen. Im zweiten Schritt hat die Bezirksregierung die Kriterien des Schulministeriums für die Auswahl von Abordnungen angewandt“, sagte Feller. Der Fehler sei in der ersten Stufe passiert, also bei der Auswahl ohne Anwendung von Kriterien. Münster werde aus diesem Fehler lernen.

„Ich fürchte keine Klage. Jeder Beamte hat das gute Recht, gegen Abordnungen zu klagen“, so Feller. Möglicherweise sei die Kommunikation in der Bezirksregierung nicht gut gelaufen, das „Mitnehmen der Lehrkräfte“ bei den Abordnungen.

Vor wenigen Tagen hatte die SPD-Opposition im Landtag gewarnt, das Land stecke auch im nun beginnenden Schuljahr tief in der Bildungskrise.

„In NRW fehlen immer noch 6000 Lehrkräfte, jede fünfte Unterrichtsstunde fällt aus, und fast 1000 Lehrkräfte haben im Jahr 2023 ihren Dienst quittiert“, sagte Dilek Engin, schulpolitische Sprecherin der SPD.

(dpa/mk)