Düsseldorf. Beispiel Bezahlkarte: Warum in der Migrationsdebatte das politische Spiel mit Heilserwartungen immer gefährlicher wird.
Das Gerangel um die Bezahlkarte für Flüchtlinge entwickelt sich zum Lehrstück über eine politische Kommunikation, die immer öfter das Gegenteil des Gewünschten erreicht. Am 6. November 2023, also fast vor einem Jahr, haben der Kanzler und die Ministerpräsidenten die Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende beschlossen. Vorausgegangen war eine schrille Debatte über den „Pull-Faktor“ Bargeld.
Wie hoch ist der Anreiz des deutschen Asylsystems?
Die Anziehungskraft Deutschlands innerhalb der EU hänge auch damit zusammen, dass Asylbewerber hier vergleichsweise üppige staatliche Sozialleistungen in bar ausgehändigt bekommen. Es sei also höchste Zeit, das Existenzminium nur noch als zweckgebundenes Guthaben zu gewähren. Ganz falsch war das nicht. Aber auch nicht ganz richtig, da manche Experten bezweifeln, dass 420 Euro Asylbewerberleistungen wirklich Flüchtlingsströme lenken und auch noch für Überweisungen an Schlepper oder die Familie in der Heimat ausreichen.
Bezahlkarte lässt seit einem Jahr auf sich warten
Bis heute gibt es kein Kartenmodell. Und ob alle NRW-Kommunen am Ende auf die bargeldlose Leistungsgewährung umstellen werden, ist keineswegs sicher. Die rechtssichere und praktisch sinnvolle Umsetzung ist eben kompliziert und braucht Zeit. Das sollte man niemandem vorwerfen. Fatal bleibt hingegen, dass in kraftmeiernden Wortmeldungen überhaupt Heilserwartungen geweckt wurden.
Mag früher die politische Faustregel gegolten haben: Übertreibungen und Zuspitzungen verschaffen einem Thema Aufmerksamkeit, erzeugen Handlungsdruck und münden am Ende in einen vernünftigen Kompromiss. In der heutigen Daueraufregung jedoch erzeugt dieser Alarmismus bloß Frust und den gefährlich verkehrten Eindruck, „die Politiker“ bekämen nichts auf die Reihe.