London/Berlin. Ein 17-Jähriger mit ruandischen Wurzeln ersticht drei Mädchen: Nicht nur in Southport kommt es erneut zu schweren Ausschreitungen.

Großbritannien wird von einer Welle heftiger Gewalt erschüttert. In der Nacht zu Sonntag wurden laut britischen Medien bei Auseinandersetzungen Polizisten angegriffen, Rechtsextreme und Gegendemonstranten gingen aufeinander los. In Städten wie Hull, Liverpool und Belfast wurden Geschäfte geplündert, selbst eine Polizeiwache soll angegriffen worden sein.

In den sozialen Medien kursiert bereits der Begriff „Bürgerkrieg“. Auf „X“ werden Halbwahrheiten und Falschinformationen verbreitet. So sollen Muslime in Stoke-on-Trent zwei Männer angegriffen und mit Äxten und Hämmern verletzt haben. Die örtliche Polizei konnte die Attacke nicht bestätigen.  Ein Mann sei vielmehr leicht verletzt worden, als er von einem stumpfen Gegenstand getroffen worden sei.

Nach der Bluttat von Southport kommt es zu gewalttätigen Protesten.
Nach der Bluttat von Southport kommt es zu gewalttätigen Protesten. © PA Wire/dpa | Jacob King

Mindestens drei Polizisten wurden im nordostenglischen Kingston upon Hull verletzt, dort gab es mehrere Festnahmen. In der nordirischen Hauptstadt Belfast zerstörten Randalierer die Scheiben eines Cafés. Bei Randale in der nordostenglischen Stadt Sunderland gab es am Freitagabend schwere Schäden. Mehrere Polizisten seien in Liverpool verletzt worden, teilte die Merseyside Police mit. Die britische Nachrichtenagentur PA meldete, ein Motorradpolizist sei von seinem Fahrzeug getreten und ein weiterer Beamter mit einem Stuhl beworfen worden. 

England: Gewalt eskaliert, nachdem 17-Jähriger mit Migrationshintergrund drei Mädchen tötete

Ultranationalisten und Punks bewarfen sich im nordwestenglischen Blackpool mit Stühlen und Flaschen, bevor Polizei eingriff. Ein Mann stürzte mit dem Kopf auf den Boden und wurde ohnmächtig. Im mittelenglischen Stoke-on-Trent flogen Steine aus einer Menge auf Polizisten.

Auslöser der Krawalle ist eine tödliche Messerattacke in Southport vor wenigen Tagen. Ultranationalisten protestieren gegen aus ihrer Sicht zu hohe Migration und werfen den Behörden vor, sie würden über die Identität des Messerangreifers lügen. In sozialen Medien hatte sich nach der Bluttat am Montag das Gerücht breitgemacht, bei dem Täter handele es sich um einen muslimischen Asylbewerber. Die Polizei betont, der verdächtige 17-Jährige sei in Großbritannien geboren worden. Seine Eltern stammen aus Ruanda. Der Teenager soll drei Mädchen erstochen sowie acht weitere Kinder und zwei Erwachsene teilweise lebensgefährlich verletzt haben. Er sitzt in Untersuchungshaft.

In vielen Städten wie hier in Leeds gingen Ultranationalisten auf die Straße.
In vielen Städten wie hier in Leeds gingen Ultranationalisten auf die Straße. © PA Wire/dpa | Owen Humphreys

Rechtsextreme heizen Stimmung an

Zu den Protestveranstaltungen - wie in Sunderland oft nahe einer Moschee - aufgerufen hatte der Gründer der rechtsradikalen English Defence League (EDL), Stephen Yaxley-Lennon, der unter dem Namen Tommy Robinson bekannt ist. Er floh vor einigen Tagen aus dem Land, nachdem er in einem Fall wegen Verleumdung nicht zu einem Gerichtstermin erschienen war.

Bereits an den vergangenen Tagen war es zu rechtsextremen Ausschreitungen gekommen. Nach Randale im Londoner Regierungsviertel wurden mehr als 110 Menschen festgenommen. Im nordostenglischen Hartlepool nahm die Polizei einen 11- und einen 14-Jährigen nach schwerer Krawalle am Mittwochabend in Gewahrsam.

Premierminister Keir Starmer beriet sich mit Kabinettsmitgliedern. Die Einsatzkräfte hätten seine volle Unterstützung, um gegen Extremisten vorzugehen, die Polizisten attackieren und versuchten, Hass zu schüren, sagte der sozialdemokratische Politiker. Die Ausschreitungen gelten als erste Prüfung für den neuen Regierungschef, der seit genau einem Monat im Amt ist. fmg/dpa