Berlin. Donald Trump hat den Senator J.D. Vance als Vizepräsidenten-Kandidaten auserkoren. Die Reaktionen in US-Medien fallen gemischt aus.

Nach dem versuchten Mordanschlag auf Donald Trump hat der Ex-US-Präsident angekündigt, sich für eine Überwindung der extremen politischen Feindseligkeiten im Land einzusetzen. Doch mit der Benennung seines Kandidaten für die Vizepräsidentschaft sendet Trump das entgegengesetzte Signal: Der von ihm auserkorene Senator J.D. Vance ist ein ultrarechter Hardliner, der in manchen Themen wie dem Abtreibungsrecht sogar noch weiter rechts steht als Trump.

Der erst 39-jährige Bestsellerautor und frühere Finanzinvestor hatte sich noch kurz vor seiner Kür zum Vize-Kandidaten mit einer besonders polemischen Reaktion auf den Anschlag von Pennsylvania hervorgetan – indem er Präsident Joe Biden eine Mitverantwortung für die Gewalttat zuwies. Wie reagieren die Medien in den USA auf die Benennung? Ein Überblick.

Trump macht JD Vance zu Vizepräsidenten-Kandidat: Reaktionen in US-Medien

Das „Wall Street Journal“, auflagenstärkste Zeitung der Vereinigten Staaten, schreibt: „Vizepräsident J.D. Vance? Donald Trump hat den Senator aus Ohio, der in seiner ersten Amtszeit ist, am Montag zu seinem Vizekandidaten für 2024 ernannt, und es ist eine merkwürdige Wahl: Vance kommt nicht aus einem Swing State und wird nicht viel tun, um die MAGA-Koalition (Anmerk. der Red. „Make America Great Again“) zu erweitern. Er ist gegen die marktwirtschaftliche Politik, die Trump für eine wirtschaftliche Erneuerung braucht. Und wäre Vance bereit, das Land zu führen, wenn das Schlimmste eintreten würde?“

Die Zeitung stellt außerdem fest: „Der Kontrast zu seinem letzten Vizepräsidenten ist nicht zu übersehen. Als er 2016 für das Präsidentenamt kandidierte, trauten viele Republikaner Trump, einem politischen Neuling und Ex-Demokraten, nicht. Eine Möglichkeit, wie Trump diese Schwäche sowohl in der Politik als auch in der Politikgestaltung angegangen ist, war die Auswahl von Mike Pence, einem erfahrenen Reagan-Anhänger, der 12 Jahre im Repräsentantenhaus und vier Jahre als Gouverneur von Indiana Erfahrungen gesammalet hatte. (...) Herr Vance ist intelligent und hat eine schwierige Kindheit überwunden, was von seiner Arbeitsmoral zeugt. Aber der Senator ist ein 39-Jähriger, der 2023 in sein erstes öffentliches Amt vereidigt wurde.“

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„Vance fürchtete, Trump könne Amerikas Hitler werden“

Die „New York Times“ weist auf ein altes Zitat von Trumps Kandidaten für die Vizepräsidentschaft hin: „Vor acht Jahren sagte Vance, er fürchte, Trump könne zu „Amerikas Hitler“ werden. Am Montag ernannte Trump den 39-jährigen Senator aus Ohio, der gerade sein Amt angetreten hatte, zum designierten Nachfolger seiner „America First“-Bewegung. Dabei vertraute er darauf, dass er die absolute Kontrolle über seine Partei habe und seine Wahl sicher sei. Als Vizepräsidentschaftskandidat aus einem zuverlässig republikanischen Staat wird Vance wahrscheinlich keine große Hilfe dabei sein, einen der Swing States zu sichern, die nötig sind, um Herrn Trump eine zweite Amtszeit zu ermöglichen.“

Allerdings gibt die „NYT“ zu Bedenken: „Doch als erster Vizepräsidentschaftskandidat aus der Generation der Millennials hat Vance eine lange politische Zukunft vor sich. Und niemand kann Trumps Vision von „America First“ besser in Worte fassen als der gewandte Senator, der ein Programm aus dem Effeff versteht, das angeblich darauf abzielt, die amerikanische Arbeiterklasse zu stärken, indem die Konkurrenz durch Einwanderer beseitigt, Importe durch Handelsprotektionismus gestoppt und amerikanische Verstrickungen im Ausland beendet werden.“

Trump will mit Vance-Wahl wohl Arbeiterklasse ansprechen

Die US-Zeitung mit der drittgrößten Auflage, „USA Today“ schreibt: „Donald Trump hat sich unter anderem deshalb für JD Vance als seinen Vizekandidaten entschieden, weil dieser ähnliche politische Ansichten hat, ein gutes Verhältnis zum ehemaligen Präsidenten hat und über ein enormes Fundraising-Netzwerk verfügt – und trotz der Tatsache, dass er sich einst fragte, ob Trump sich als „Amerikas Hitler“ entpuppen könnte. Laut Aussagen von republikanischen Wahlkampfmitarbeitern und Verbündeten glaubt Trump zudem, dass der Autor eines gefeierten Buches über das ländliche Amerika die Arbeiterklasse in Schlüsselstaaten wie Pennsylvania, Michigan und Wisconsin ansprechen kann. (...) Vance dürfte in den kommenden Wochen trotz der Aufrufe Trumps zur Ruhe, nachdem dieser am Samstag beinahe ermordet worden wäre, einen aggressiven Wahlkampf führen.“

Die „Financial Times“ betont: „Falls es noch Zweifel daran gab, dass sich Donald Trump voll und ganz für „America First“ einsetzen würde, hat er sie am Montag mit seiner Vizepräsidentenwahl ausgeräumt. JD Vance ist der bekannteste Trump-Anhänger unter den führenden Republikanern. Trump hätte Nikki Haley wählen können, die ehemalige Gouverneurin aus South Carolina, die ihm bei den republikanischen Vorwahlen den größten Kampf angesagt hatte. Haley ist in der Abtreibungsfrage relativ gemäßigt. Die Wahl von ihr oder gleichgesinnten Person hätte signalisiert, dass er seine Anziehungskraft auf die unentschlossenen republikanischen Frauen in den Vorstädten ausweiten will.“

Die „FT“ resümiert: Vance hingegen ist ein überzeugter christlicher Konservativer. Wenn Joe Biden in den Gewitterwolken einen Silberstreifen entdecken kann, dann ist es Vance. Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris ist eine erfolgreiche Kämpferin für das Recht der Frau auf Selbstbestimmung.“ (les)

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