Düsseldorf. Die Grundsteuer sorgt für Dauerärger in NRW. Jetzt rechnet das Land den Städten vor, wie Ausgleich zwischen Wohnen und Gewerbe geht.
Der Streit um die neue Grundsteuerberechnung ab 2025 geht in die nächste Runde. NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) hat den 396 Kommunen am Donnerstag sogenannte „aufkommensneutrale Hebesätze“ (Hier für jede Stadt nachschauen) zukommen lassen und Vorschläge zu einer lokal differenzierten Berechnung für Wohngebäude und Gewerbeliegenschaften gemacht.
„Diese sind als Referenzwerte zu verstehen und haben lediglich informativen Charakter. Sie sind für die Kommunen nicht verbindlich“, stellte das Finanzministerium vorab klar. Die Städte geraten damit dennoch unter Zugzwang. Hintergrund: Ein Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2018 zwingt zur Neubewertung der NRW-weit 6,5 Millionen Grundstücke. In zahlreichen Städten zeichnet sich dadurch eine Kostenexplosion bei Ein- und Zweifamilienhäusern ab, während die Grundsteuer für Gewerbeimmobilien deutlich günstiger ausfallen würde.
Grundsteuer: NRW-Städte wollen Änderung der landesweiten Messzahl
Bund und Länder haben bei der Reform der wichtigen kommunalen Einnahmequelle „Aufkommensneutralität“ zugesichert. Das heißt: Die NRW-Städte sollen weiterhin etwa vier Milliarden Euro Grundsteuer-Gesamtaufkommen haben – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Innerhalb einer Stadt kann es je nach Lage und Wertentwicklung des Gebäudes für den einzelnen Eigentümer deutlich teurer oder billiger werden.
Die Kommunen erwarten von Optendrenk, dass er über die landesweite Steuermesszahl korrigierend eingreift, um eine Überlastung von Wohneigentümern und Mietern zu verhindern. Die Grundsteuer berechnet sich aus dem jeweiligen Grundstückswert, der landesweiten Messzahl und dem städtischen Hebesatz.
Die schwarz-grüne Landesregierung will den Städten dagegen per Gesetz die Möglichkeit zur lokalen Differenzierung der Hebesätze geben. Gewerbeimmobilien könnten so lokal höher besteuert werden, Wohnimmobilien dafür niedriger. Diese Debatte will sich keine Stadt aufhalsen - schon gar nicht vor dem Kommunalwahljahr 2025. Schwarz-Grün wird parteiübergreifend von allen Kommunalvertretungen attackiert, man trage Verteilungskämpfe in die Städte und rede einem „Grundsteuer-Flickenteppich“ das Wort.
NRW-Finanzminister: Regionale Besonderheiten verlangen lokale Hebesatz-Differenzierung
Eine Veränderung der Landesmesszahl werde den unterschiedlichen Auswirkungen der neuen Grundsteuer gerade in NRW nicht gerecht, argumentiert hingegen das Finanzministerium. Zwar müssten mehr als 80 Prozent der Kommunen an ihren Hebesätzen schrauben, um das Gesamtsteueraufkommen stabil zu halten. Die Unwucht zwischen Wohn- und Gewerbegrundstücken sei regional jedoch sehr unterschiedlich. Ein Vergleich mit Berlin, Sachsen oder dem Saarland, die einen landesweiten Korrekturmodus gefunden hatten, hinke. Vielmehr schwenke nun auch Schleswig-Holstein auf das NRW-Modell differenzierter Hebesätze ein.
Im Ruhrgebiet etwa würde das Grundsteueraufkommen durch Gewerbegrundstücke ohne Hebesatz-Differenzierung um 25,4 Millionen Euro drastisch einbrechen, das Wohnen hingegen ungefähr gleich teuer bleiben. In Köln und dem Rhein-Erft-Kreis ergäbe sich ein völlig anderes Bild: Das Wohnen würde mit 13,7 Millionen Euro Plus deutlich höher besteuert, das Gewerbe derweil um 7,7 Millionen Euro entlastet. Am Niederrhein würde das Gewerbe um 15,4 Millionen Euro entlastet, das Wohnen indes um 2,1 Millionen Euro teurer. Im Sauerland würden Wohnen (minus 1,6 Mio Euro) und Gewerbe (minus 8,4 Mio Euro) gleichermaßen günstiger, was die Kämmerer dort kaum verkraften könnten. Im Bergischen Land tut sich durch die neue Rechenmethode dagegen nicht viel.
Differenzierte Hebesätze: Städte sehen weiterhin Land in der Pflicht
Die kommunalen Spitzenverbände reagierten am Donnerstagnachmittag reserviert auf den Optendrenk-Vorstoß der Musterrechnung für jede einzele Stadt. „Die Übersicht zeigt deutlich die Folgen des Versäumnisses der Landesregierung auf, rechtzeitig etwas gegen die Unwucht der Reform zu unternehmen. Jetzt wird an konkreten Zahlen sichtbar, in welchem Ausmaß sich das Wohnen verteuert und Gewerbe entlastet wird“, kommentierte der Präsident des Städte- und Gemeindebundes, Christoph Landscheidt (SPD), der zugleich Bürgermeister von Kamp-Lintfort ist.
Der Städtetag NRW fürchtet eine Klagewelle, wenn lokal an den Hebesätzen herumgeschraubt werden sollte: „Diese differenzierten Hebesätze lehnen wir ab. Sie sind kein rechtssicheres Instrument, um die Lastenverschiebung hin zu Wohngrundstücken zu verhindern“, kommentierte Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW.
Lob bekam Optendrenk dagegen vom Bund der Steuerzahler in NRW: „Die Veröffentlichung der aufkommensneutralen Hebesätze ist ein wichtiger Schritt im Sinne der Transparenz und für die politischen Diskussionen vor Ort“, sagte der Vorsitzende Rik Steinheuer.