Berlin. Chinas Bonsai-Flugzeugträger, eine Weltpremiere, gibt Experten Rätsel auf: Ist er eine neue Dimension in der Kriegsführung mit Drohnen?
Drohnen gelten als die Waffe der Zukunft. Im Ukraine-Krieg gehören sie zum Alltag: zur Beobachtung des Gefechtsfeldes wie für Angriffe. Sie können Sprengsätze laden oder sich als Kamikaze-Drohnen auf ihr Ziel stürzen. Ihre Piloten riskieren nicht ihr Leben; früher oder später werden Drohnen in großen Schwärmen von Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuert.
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Ihr Potenzial ist nicht ausgereizt, mithin werden die Karten zwischen den Militärmächten neu gemischt. So dürfte die US-Marine irritiert sein, dass die Chinesen in einem Bereich vorn sind: Sie verfügen über den weltweit ersten Drohnenträger, ein Bonsai unter den Flugzeugträgern.
„Drohnenträger bleibt ein Rätsel“
Grundsätzlich können Drohnen auf vielen Schiffen starten und landen. So kann man Luftoperationen in größerer Entfernung vom eigenen Territorium starten. Die Chinesen sind aber die Ersten, die ein Schiff von vornherein und ausschließlich für Drohnen konzipiert und gebaut haben und bereits Ende 2022 in Betrieb nahmen. Auch andere Staaten wollen ihre Flotte um Drohnenträger erweitern, etwa der Iran oder die Türkei. Aber China ist am weitesten.
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Die Experten vom britischen Fachportal „Naval News“, das sich Satellitenaufnahmen beschafft hat, rätseln noch, ob es ein Testschiff ist. Da es recht einfach aussieht, ist womöglich gar nicht vorgesehen, dass es wie ein Flugzeugträger von anderen Schiffen und U-Booten begleitet und geschützt wird.
Denkbar wäre, dass es die Waffen nahe ans Ziel bringt und mit dem Start der Schwärme von Kamikaze-Drohnen seine Aufgabe erfüllt hat. Das ist eine Theorie. „Der neue Drohnenträger bleibt ein Rätsel“, schreibt „Naval News“.
Kleiner und billiger als ein Flugzeugträger
Das Flugdeck ist auffällig niedrig. Man fragt sich, ob das Schiff überhaupt einen Hangar unterhalb des Flugdecks hat. Das wäre seltsam, weil die Kapazitäten dann begrenzt wären. Interessant ist die Form: ein Katamaran mit einem Doppelrumpf.
Das Flugdeck ist nach Einschätzung von Fachleuten ein Drittel so lang und halb so breit wie ein moderner Flugzeugträger. Die Landebahn deutet darauf hin, dass ein Teil der Drohnen landen soll; für Kamikaze-Drohnen hätte ein Katapult oder eine Startschiene ausgereicht. Das Schiff wird mit Sicherheit eine viel kleinere Besatzung brauchen und natürlich ungleich kostengünstiger – bei Anschaffung und Betrieb – als ein moderner Flugzeugträger sein.
Chinas Geheimprojekt
Es wurde unter großer Geheimhaltung in einer Werft am Fluss Jangtsekiang gebaut, wohl bewusst nicht dort, wo man es vermutet hätte, in den großen Werften in Shanghai. Erste Modelle kursierten schon 2021. Vom Stapel lief der Drohnenträger dann Ende 2022. Etwa zu der Zeit tauchten zumindest die ersten Aufnahmen und Videos von startenden Helikopterdrohnen in den sozialen Netzwerken auf.
„Naval News“ hat sich Satellitenbilder beschafft, auf denen man Schiff und Werft sehen kann, und J. Michael Dahm vom Mitchell Institute um eine Einschätzung gebeten. Ihm fiel unter anderem auf, dass auf der Werft Jiangsu Dayang Marine auch zwei simulierte feindliche Schiffe sind.
Offenkundig bereitet China die Kriegsführung mit Drohnen auf See vor. Bekannt ist, dass auch Taiwan die Drohnenentwicklung forciert. Im Taiwan-Konflikt ist der Drohnenträger also auch ein Botschaft. Die Adressaten des Statements: USA und Taiwan.
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