Düsseldorf. Jetzt droht sogar „Allerweltsarten“ wie Kiebitz und Kuckuck das Aussterben. NRW hat die Listen der „gefährdeten Arten“ aktualisiert.
Die Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe sowie das Bauen setzen Tieren und Pflanzen in NRW offenbar weiter stark zu. 44,4 Prozent der zuletzt untersuchten 3600 Arten sind laut dem NRW-Umweltministerium gefährdet, bedroht oder schon ausgestorben. Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) spricht von einem „besorgniserregenden“ Befund.
Bei der letzten landesweiten Ergebung der „gefährdeten Arten“ im Jahr 2011 war der Anteil mit 46,6 Prozent zwar etwas höher. „Diese leichte Verbesserung um etwa zwei Prozent kann uns aber nicht zufriedenstellen“, sagte Krischer am Dienstag im Landtag.
Artensterben: Selbst „Allerweltsarten“ wie der Kiebitz verschwinden
Früher in NRW heimische Arten wie das Birkhuhn seien schon in den 1970-er Jahren komplett verschwunden. Inzwischen seien auch frühere „Allerweltsarten“ wie Kiebitz, Kuckuck, Braunkehlchen und die Gelbbauchunke massiv unter Druck geraten, so der Minister.
Diverse Rote Listen
Grundlage für die Bestandsaufnahme der „gefährdeten Arten“ in NRW sind die diversen „Roten Listen“, die von Ehrenamtlern etwa alle zehn Jahre für verschiedene Artengruppen erstellt werden. Bei der aktuellen Erhebung ging es zum Beispiel um Vögel, Fische, Schmetterlinge, Laufkäfer, Farne und Blütenpflanzen. 3600 Arten wurden dafür berücksichtigt. Insgesamt gibt es in NRW mehr als 43.000 Tier-, Pilz- und Pflanzenarten.
Rote Liste: Flächenfraß und Klimakrise beschleunigen das Artensterben
Zwei Faktoren belasten laut der Landesregierung Tiere und Pflanzen besonders: Erstens mache der Menschen ihre Lebensräume immer kleiner. Zweitens schlage die Klimakrise auf die Lebensbedingungen vieler Arten durch. So trockneten viele Feuchtgebiete in den tendenziell immer trockeneren Sommern aus, worunter zum Beispiel Uferschnepfe, Brachvogel und Bekassine litten. „Das sind die Verlierer der Klimakrise“, warnte Krischer.
Das Landesumweltamt Lanuv möchte diesen Trend unter andere durch die Rettung und Ausweitung der Moore bremsen. Derzeit gebe es nur rund 1620 Hektar intakte Moorflächen im Land. Theoretisch könnten mehr als 23.000 Hektar zur Wiederherstellung oder Neuentwicklung von Mooren genutzt werden, erklärte Lanuv-Präsidentin Elke Reichert.
Allen Blühstreifen zum Trotz: Das Insektensterben schreitet in NRW weiter voran
Besorgniserregend bleibt die Entwicklung bei den Insekten. Laut dem früheren Nabu-Landesvorsitzenden Josef Tumbrinck, der heute die Abteilung Naturschutz im NRW-Umweltministerium leitet, sei insbesondere bei den Großinsekten keine echte Trendwende in Sicht. Der Klimawandel wirke auch auf diese Populationen ein: Wärme liebende Insekten würden nach NRW kommen. Tiere, die Kälte bevorzugen, wanderten ab.
Der neue „Umweltindikator gefährdete Arten“ beschreibt aber auch einige „sehr positive Entwicklungen“, sagte Minister Krischer. So seien im Jahr 1990 hierzulande nur drei Weißstorch-Paare gezählt worden, im Jahr 2022 seien es rund 700 gewesen. Inzwischen gebe es in NRW fünf Brutreviere für Seeadler, auch die Bestände von Fischotter, Uhu, Wanderfalke und Biber entwickelten sich gut. Die Naturschutzmaßnahmen der vergangenen Jahre zahlten sich für diese Arten aus.