Berlin. Immer wieder melden Verkehrsflugzeuge GPS-Störungen. Hinter den Vorfällen wird Russland vermutet. Wie groß ist die Gefahr?

Zehntausende Flugzeuge haben in den letzten Monaten Probleme mit ihren GPS-Systemen gemeldet. Die satellitengestütze Navigation war teilweise unterbrochen, teilweise mit fehlerhaften Daten gefüttert worden. Ein Sicherheitsrisiko für die Luftfahrt, vor allem im Bereich des Baltikums, da wo der EU-Luftraum an Russland angrenzt.

Insgesamt 46.000 Flüge seien betroffen gewesen, im Zeitraum zwischen August 2023 und dem März dieses Jahres, berichtete die „Sun“, die zusammen mit dem Online-Dienst gpsjam.org Flugdaten ausgewertet hatte. Der Dienst wertet seinerseits Meldungen von Flugzeugen über die Genauigkeit ihrer Navigationsdaten in einer bestimmten Region aus und erstellt damit Karten, die anzeigen, wo auf der Welt die Navigation beeinträchtigt sein kann.

Die Beobachtungen der „Sun“ decken sich mit denen der Europäischen Agentur für Flugsicherheit, EASA. „Wir haben einen scharfen Anstieg von Attacken festgestellt, was ein Sicherheitsrisiko darstellt“, hieß es von der Agentur bereits im Januar.

Russland soll hinter den Attacken stecken

Die Störungen der Satellitennavigation kommen nicht von ungefähr, hinter den Vorfällen im Baltikum wird Russland vermutet. Prominentestes Beispiel ist der Flug des britischen Verteidigungsministers Grant Shapps, dessen Maschine im März in der Nähe der russischen Exklave Kaliningrad Ziel einer Stör-Attacke geworden war. Aus der Downing Street hieß es damals, die Sicherheit des Flugzeugs sei nicht beeinträchtigt gewesen.

Auch im Nahen Osten kommt es immer wieder zu Störungen beim GPS. Die gehen seit dem Ausbruch des Krieges gegen die Hamas auf Israel zurück. Der Staat will so verhindern, das Raketen und Drohnen ihre Ziele finden.

In Deutschland ist das Problem ebenfalls bekannt. Die Bundeswehr verzeichnet immer wieder Attacken auf GPS-Systeme. Auf Nachfrage sagte ein Sprecher unserer Redaktion: „Die anhaltenden Störungen des globalen Navigationssatellitensystems (GNSS) sind mit hoher Wahrscheinlichkeit russischen Ursprungs und basieren auf Störungen im elektromagnetischen Spektrum, unter anderem mit Ursprung im Oblast Kaliningrad.“ Es stünden alternative Navigationsysteme zur Verfügung.

„Militärische Systeme verlassen sich nicht allein auf ein ziviles Navigationssystem“, erklärte dazu ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums bereits im Feburar in der Regierungspressekonferenz. „Wir verlassen uns nicht allein auf GPS.“

Zivile Luftfahrt hat Alternativen

Wie sieht es aber in der zivilen Luftfahrt aus? Aus dem Bundesverkehrsministerium hieß es dazu unserer Redaktion gegenüber, seit Dezember 2023 würden „sporadisch“ GPS-Störungen im nordöstlichen Bereich des deutschen Luftraums gemeldet. „Wir nehmen diese Störungen sehr ernst“, sagte ein Sprecher, „gleichzeitig ist die Deutsche Flugsicherung sehr gut darauf vorbereitet.“ Flugzeuge könnten bei punktuellem GPS-Ausfall auch mit anderen Mitteln sicher navigiert werden.

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Wie militärische, verlassen sich auch zivile Flugzeuge nicht nur auf ein einziges System, um ihre Position zu bestimmen, sie dürfen es gar nicht. In jedem Flieger müssen sicherheitsrelevante Systeme und Bauteile mindestens zweifach vorhanden sein, man spricht dabei auch von Redundanz. Im Falle von Navigationssystemen etwa verfügen Flugzeuge nicht nur über GPS, sondern gleichzeitig über Trägheitsnavigationssysteme.

Dazu kommt: Kein Flugzeug ist allein am Himmel, der Luftraum wird mit Radar und Funk überwacht. Damit lassen sich Flieger auch vom Boden aus navigieren, rund um die Uhr. „Die sichere Abwicklung des Luftverkehrs in Deutschland ist zu jeder Zeit gewährleistet“, sagte der Ministeriumssprecher.

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Auch die deutschen Airlines zeigen sich von den russischens Störversuchen weitgehend unbeeindruckt. Das Thema sei bekannt, seit längerem, auch aus anderen Weltregionen, heißt es etwa von Lufthansa und Eurowings. „Durch das Prinzip der Redundanz und regelmäßigem Training lässt sich dem im Sinne der Flugsicherheit indes gut begegnen“, sagte ein Sprecher.

Russland mit Störaktionen: EU geht gegen Attacken vor

Die EASA hat dem Problem der GPS-Attacken währenddessen einen Workshop gewidmet. Ziel war es, Wege zu finden, mit den Störungen umzugehen und die Sicherheit in der Luftfahrt zu gewährleisten. Zu den Maßnahmen, auf die sich die EASA einigte, gehören unter anderem:

  • Das Teilen von Daten über GPS-Attacken, in der EU und weltweit
  • Anleitung der Flugzeughersteller, damit Fluggesellschaften ihre Maschinen sicher betreiben können
  • Mitteilungen über Attacken an Fluggesellschaften und Flugsicherung über Attacken
  • Mitführen von traditionellen Navigationshilfen, also Navigationsgeräte, die sich nicht auf GPS verlassen