Brüssel. Die EU-Kommissionschefin steht unter Druck: In Brüssel ermittelt die Justiz nun wegen ihres Biontech-Deals – doch damit nicht genug.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gerät zwei Monate vor den Europawahlen zunehmend unter Druck: Während die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) ihre Ermittlungen wegen eines milliardenschweren Corona-Impfstoff-Deals der EU ausgeweitet hat, steht in Brüssel nun auch der Vorwurf der Ämterpatronage im Raum.
Die Antikorruptionsorganisation Transparency International und sechs weitere Organisationen protestieren wegen der Ernennung eines Parteifreundes von der Leyens auf den hoch dotierten Posten des Mittelstandsbeauftragten der Kommission, sie fordern den Widerruf und eine Untersuchung. An diesem Mittwoch droht von der Leyen wegen des Vorgangs zunächst Ärger in der Kommission und dann im EU-Parlament, wo der Fall schon als „Pieper-Gate“ gehandelt wird.
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Es geht um den bisherigen CDU-Europaabgeordneten und Wirtschaftspolitiker Markus Pieper aus dem Münsterland, der das neu geschaffene Amt des Mittelstandsbeauftragten Mitte April antreten soll. Der Posten ist ohne Zweifel lukrativ, in Brüssel ist sogar die Rede von der EU-Besoldungsstufe AD 15, was einem Monatsgehalt von rund 18.000 Euro brutto entsprechen würde.
Von der Leyen: Parteifreund bevorzugt bei Auswahlverfahren?
Doch Kritiker monieren, dass im monatelangen Auswahlverfahren zwei Bewerberinnen aus der liberalen Parteienfamilie deutlich besser abgeschnitten hätten als Pieper – in den Einstellungstests seien die tschechische Europaabgeordnete Martina Dlabajova und Anna Stellinger, Vizechefin eines schwedischen Unternehmensverbands, um mindestens 30 Prozent besser gewesen, schreiben Transparency, Abgeordnetenwatch, Lobbycontrol und andere Organisationen in einem Protestbrief an die Kommission. Offenbar sei gegen den Verhaltenskodex verstoßen worden. Dlabajova hat inzwischen offiziell Beschwerde eingereicht.
Unstrittig ist: Mit Piepers Berufung bindet von der Leyen einen ihrer scharfen Kritiker aus der CDU ein und dämpft so den Widerstand in den eigenen Reihen. Der 59-Jährige hatte mit Blick auf die hohen Belastungen für die Unternehmen schon mal geschimpft, von der Leyens Wirtschaftspolitik sei „wie von einem anderen Stern“. Abgeordnete von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken klagen, die Parteizugehörigkeit des Kandidaten habe eine wichtige Rolle gespielt – während nach den Regeln eigentlich Leistung, Geschlechterparität und geografische Ausgewogenheit entscheidend sein müssten.
Am Donnerstag wird das Parlament über ihren Antrag abstimmen, die Berufung rückgängig zu machen und das Verfahren neu zu starten, für Mittwoch ist die Debatte angesetzt. Wenige Stunden zuvor erwartet von der Leyen Ärger in der Kommissionssitzung: Vier Kommissare – Josep Borrell (Außen), Paolo Gentiloni (Wirtschaft), Thierry Breton (Binnenmarkt) und Nicolas Schmit (Soziales) – wollen die Präsidentin dort wegen der Personalie zur Rede stellen. Das ist so ungewöhnlich wie das Schreiben, das die vier vorab durchsickern ließen und in dem sie klagen, der Prozess werfe Fragen zu Transparenz und Unparteilichkeit auf. Die Kommissare sind politische Rivalen, außer dem Liberalen Breton gehören sie den Sozialdemokraten an, für die Schmit als Spitzenkandidat antritt.
EU-Kommission: Vorwürfe der Parteilichkeit und Intransparenz
Von der Leyen lässt die Vorwürfe zurückweisen: Das Verfahren habe den Regeln entsprochen, Pieper sei auf Grundlage seiner Leistung ausgewählt worden, versichert Chefsprecher Eric Mamer. In Piepers CDU werden die Vorwürfe als bloßes Wahlkampfmanöver bezeichnet. Transparency-Europadirektor Nick Aiossa widerspricht: „Es ist völlig unklar, warum Markus Pieper ernannt wurde, abgesehen davon, dass er der Partei von der Leyens angehört.“
Bedrohlicher als „Pieper-Gate“ könnten für von der Leyen die als „Pfizer-Gate“ bekannten Ermittlungen wegen der Corona-Impfstoffbeschaffung der EU werden. Die Europäische Staatsanwaltschaft in Luxemburg ermittelt seit Herbst 2022 in dieser Sache. Dass es um den umstrittenen Mega-Deal mit dem US-Pharmariesen Pfizer über 1,8 Milliarden Dosen Biontech-Impfstoff für 35 Milliarden Euro geht, dementiert die Behörde nicht, schweigt aber ansonsten. Bislang hatte parallel die belgische Justiz aufgrund von Strafanzeigen ermittelt, die direkt gegen von der Leyen gerichtet sind.
Jetzt hat die EU-Staatsanwaltschaft auch diese Ermittlungen übernommen, wie von den belgischen Behörden bestätigt wird. Den Vertrag hatte von der Leyen nach Angaben des EU-Rechnungshofs im Frühjahr 2021 entgegen der Regel persönlich mit Pfizer-Chef Albert Bourla eingefädelt. Von der Leyen gibt sich nach außen weiter gelassen. Eine Kommissionssprecherin erklärte, es lägen keine Informationen vor, was die Staatsanwaltschaft untersuchen könnte.
Partei | Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) |
Gründung | 26. Juni 1945 |
Ideologie | Christdemokratie, Konservatismus, Liberalismus, Europäische Integration |
Vorsitzender | Friedrich Merz (Stand: Dezember 2023) |
Fraktionsstärke | 152 Abgeordnete im Bundestag (Stand: Dezember 2023) |
Bekannte Mitglieder | Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Jens Spahn |