Düsseldorf. EU-Austritt und Vertreibungspläne für Migranten: Die Standortdiskussion beschäftigt die NRW-Wirtschaft - zumal es gerade abwärts geht.

NRW-Unternehmerpräsident Arndt Kirchhoff hat Gedankenspiele über die Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund und den von der AfD ins Gespräch gebrachten EU-Austritt Deutschlands (Dexit) als selbstzerstörerisch und wirtschaftsfeindlich gebrandmarkt. „Ein Dexit würde unser Land ruinieren. Zwei Drittel unserer Produkte werden in der EU gehandelt. Das ist unser Heimatmarkt“, sagte Kirchhoff am Mittwoch vor Journalisten in Düsseldorf. Deutschland habe auf dem Weltmarkt nur im Verbund mit den europäischen Nachbarn eine realistische Chance, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen, so Kirchhoff.

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel hatte zuletzt über ein Referendum zum Austritt Deutschlands aus der EU spekuliert. Die NRW-Unternehmensverbände sorgen sich seither um das Ansehen des Wirtschaftsstandorts. „Die Europawahl darf nicht zu einer destruktiven Protestwahl werden“, warnte Kirchhoff. Am 9. Juni wird ein neues Europaparlament gewählt.

Vertreibungspläne von Rechtsextremisten schaden dem Wirtschaftsstandort

Schon die seit Wochen anhaltende Diskussion über Vertreibungspläne für Menschen mit Migrationshintergrund, die bei einem Treffen von AfD-Funktionären mit bekannten Rechtsextremisten im November in Potsdam erörtert worden sein sollen, läuft den Bemühungen vieler NRW-Betriebe zuwider, dringend benötigte Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben. „Wollen Sie in einem Land leben, über das sie so etwas lesen?“, fragte Kirchhoff, der selbst in Südwestfalen einen der größten deutschen Autozulieferbetriebe führt und nach eigener Aussage ohne Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund die Produktion einstellen müsste.

Die Rechtsextremismus-Debatte trifft die NRW-Wirtschaft in einer ohnehin schwierigen Phase. Deutschland ist das einzige Industrieland der Welt, dessen Wirtschaftsleistung aktuell schrumpft. Die Zahl der Insolvenzen, Betriebsschließungen und Verlagerungen nehme auch in NRW kontinuierlich zu. Die Unternehmensverbände erwarten von der Ampel-Bundesregierung steuerliche Entlastungen, Entbürokratisierung und weitere Strompreishilfen.

Kohleausstieg in NRW schon 2030: Zweifel an Ersatzkraftwerken für Dunkelflaute

Kirchhoff äußerte Skepsis, dass der vorgezogene Kohleausstieg in NRW 2030 gelingen kann und die erforderlichen neuen Gaskraftwerke als Versicherung für Stunden ohne Sonnen- und Windstrom in sechs Jahren wirklich am Netz sind: „Ich habe Zweifel an der Menge und am Zeitplan.“ Im Zweifel solle die Politik so ehrlich sein zu sagen, man erkaufe den Ausstieg „mit Atomstrom aus Frankreich und Kohlestrom aus Polen“, so Kirchhoff.

Die schwarz-grüne Landesregierung kommt bei den Unternehmern zwar besser weg als die Ampel in Berlin, allerdings wird zunehmende Lethargie in der Verkehrspolitik beklagt. Die Aufbruchsstimmung der vergangenen Legislaturperiode sei verlorengegangen. Das schwarz-grüne Straßenbau-Credo „Erhalt vor Ausbau“ dürfe nicht zu „Erhalt statt Neubau“ verkümmern, mahnte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände, Johannes Pöttering.